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Sträfliche Neugier

Sträfliche Neugier

Titel: Sträfliche Neugier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus H. Stumpff
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Mitschülern war er beliebt, trotzdem war er ihnen gelegentlich etwas
lästig, weil er nicht so schnell und beweglich war wie sie.
     
    Als Christian eines Tages von der Hohenburg hinunterfuhr,
verlor er durch einen Fahrfehler die Beherrschung über seinen Rollstuhl und
raste mit zu großem Tempo in eine Kurve. Sein Gefährt kam ins Schleudern und
kippte um. Christian konnte sich nicht selber aus seiner misslichen Lage befreien
und rief deswegen um Hilfe. Aus einem gegenüberliegenden Haus eilte eine Frau
herbei, die sein Jammern gehört hatte. Sie half ihm, unter dem umgestürzten
Rollstuhl hervorzukriechen, richtete diesen dann wieder auf, und nach
gemeinsamen Anstrengungen saß Christian wieder fest in seinem fahrbaren
Untersatz. Er hatte zum Glück nur ein paar Hautabschürfungen erlitten, und der
Rollstuhl war nur leicht beschädigt, aber die Frau meinte, dass ihr Bruder das
reparieren könne, der sei nämlich gelernter Kfz-Mechaniker. Zuerst schrak
Christian, als er in ihr stark gerötetes, verquollenes Gesicht schaute, aber
dann sagte sie mit tröstender Stimme:
    »Ich heiße Claudia Berger, ich wohne gleich da drüben in
Nummer 14. Komm doch erst mal rein zu mir und erhole dich etwas von dem
Schrecken! Der Eingang ist ebenerdig, du kannst also problemlos hineinfahren.«
    Sie wunderte sich über ihren Mut, diesen Jungen ganz
spontan eingeladen zu haben. Denn sonst übte sie Fremden gegenüber
Zurückhaltung, weil ohnehin jeder annahm, sie hätte eine ansteckende
Hautkrankheit. Aber den wahren Grund für ihr Aussehen erfuhr bislang niemand.
     
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5
     
    Schicksale
     
    A llmählich entwickelte sich zwischen Christian Seiffert und
Claudia Berger eine herzliche Freundschaft. Er leistete ihr Gesellschaft, so
oft er konnte. Eines Tages erklärte sie ihm:
    »Du kannst Claudia zu mir sagen, das klingt doch nicht so
förmlich wie Frau Berger und ich bin ja auch noch nicht so alt wie ich
vielleicht aussehe.«
    Christian schaute sie neugierig an: »Wie alt bist du denn?«
    »Ich bin jetzt zwanzig«, gab sie
zur Antwort. »Und ich schätze dich so um die fünfzehn, ist das richtig?«
    »Beinahe erraten. Ich bin fast sechzehn. Und nenne mich
bitte Chris , wie alle meine Freunde.«
    »Abgemacht, Chris, also auf eine weitere gute
Freundschaft!«
     
    Claudias Vater Georg Berger war der frühere Eigentümer der
Schloss-Apotheke in Burgstadt, seine Frau Henriette zur gleichen Zeit Lehrerin
an der dortigen Grundschule. Beide hatten immer nur wenig Zeit für ihre noch
unmündigen Kinder. So hatten Claudia und Max frühzeitig gelernt, auch allein
zurecht zu kommen.
     
    Wenn Christian Seiffert gelegentlich vorbeischaute, dann
hatten sie sich immer viel zu erzählen. So erfuhr Claudia schon bei seinem
ersten Besuch von dem tödlichen Autounfall seiner Eltern und der Ursache seiner
Behinderung. Mit Anteilnahme hörte sie ihm zu und sagte dann:
    »Ja, Chris, so ist das Leben, jeder hat sein Packerl zu
tragen. Unsere Schicksale scheinen sich zu ähneln. Mein Bruder Max und ich
waren gesunde und fröhliche Jugendliche, bis uns ein grausames Missgeschick
widerfuhr. Du siehst ja, wie grässlich ich aussehe. Das ist die Folge
sträflicher Neugier, die Max und mich in diesen erbärmlichen Zustand versetzte.
Unsere Eltern sind tot und seitdem unser Erbe aufgebraucht ist, leben wir recht
und schlecht von der Sozialhilfe. Aber wir haben die Hoffnung auf Besserung
unserer Lebensumstände noch nicht ganz aufgegeben.«
    »Habt ihr denn keine Arbeit?«, wollte Christian wissen.
    »Schön wär’s! Ich hatte einige Semester Biologie studiert,
das Studium aber aufgegeben, weil ich von meinen Studienkollegen immer so
angegafft wurde, bis ich es nicht mehr ertragen konnte. Darum suchte und fand
ich auch keine Arbeit; ich war völlig mut- und kraftlos. Und mein Bruder verlor
wegen seines rotfleckigen Gesichts seinen Job als Kfz-Mechatroniker; keine
andere Firma wollte ihn wegen seines Aussehens einstellen.
    »Was war euch denn geschehen?«, hakte Christian nach.
    »Ach, das ist eine lange Geschichte.« Claudia zögerte. »Um
alles zu erfahren müsstest du schon ein wenig Zeit aufbringen.«
    »Die habe ich heute. Also, schieß schon los!«, ermunterte
sie Christian.
     
    Claudia ließ sich das nicht
zweimal sagen. Sie erzählte von ihrer Kindheit und Jugend, von ihren Eltern und
ihrem Bruder Max. Auch über ihren früheren Nachbarn ließ sie sich aus, den
schrulligen Doktor Curtius,

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