Sträfliche Neugier
größerem Wachstum anregen sollten. Damit hatte ich
bereits einige Erfolge gehabt und hoffte, auf meine Erfindung eines Tages ein
Patent zu erhalten. Auch hatte ich schon darüber nachgedacht, ob ich nicht das
Wachstum auch umkehren, also Pflanzen verkleinern könnte. Das wäre für die
Unkrautbekämpfung von Interesse, denn wenn es mir gelänge, ein Mittel zu
finden, das auf das Wachstum bestimmter Unkräuter einwirken würde, dann wäre
ich wohl ein gemachter Mann. Dabei gab es aber noch große Probleme hinsichtlich
der Wirksamkeitsdauer, denn ich wollte diese Pflanzen nicht auf Dauer
verkleinern, sondern nur für die Zeit der Wachstumsperiode bis zu ihrer Ernte.
Das Wort ›Unkraut‹ verwendete ich gar nicht gern und betonte immer wieder
gegenüber meinen Schülern, dass alle Pflanzen gleiches Lebensrecht hätten und
es in Wirklichkeit gar keine ›Unkräuter‹ gäbe sondern alle Pflanzen eigentlich
von Nutzen seien, weil sie im Kreislauf der Natur einen festen Platz hätten.
Ich vermutete nun, dass die Mäuse an diese Substanz geraten
sein könnten. Tatsächlich entdeckte ich einen umgekippten Messzylinder, den ich
am Vorabend versehentlich auf dem Labortisch hatte stehen lassen. Normalerweise
verschloss ich alle Chemikalien und Lösungen vor dem Weggehen in einem
Giftschrank, aber hier war ich wohl einmal vergesslich gewesen.
»Toll, was?« Claudia schaute ihren jungen Freund fragend
an. »Einmal erzählte uns der Doktor, dass er eine Substanz hergestellt habe,
die es ermöglichte, einen Menschen so klein wie Ameisen zu machen oder noch
kleiner, je nachdem, wie viel er davon schluckt. Er selber habe mit zwei seiner
damaligen Schüler eine Expedition in den Mikrokosmos unternommen, sogar in den
Stängel einer Pflanze seien sie mit einer Art Mini-Fahrstuhl hinein
gefahren. Wir hielten das allerdings für Märchen und nannten ihn respektlos Doktor
Hokuspokus. Doch dann stellte er uns in Aussicht, uns einmal auf seine
nächste Tour, die in einen Hummelbau gehen sollte, mitzunehmen. Nun hegten wir
keinen Zweifel mehr an der Echtheit seiner Erlebnisberichte. Doch leider blieb
es bei diesem Vorschlag, denn Doktor Curtius verstarb überraschend an
Herzversagen. Bis kurz vor seinem Tod tollten wir noch in seinem Garten herum.
Da hatten wir wohl etwas zu viel Lärm gemacht, jedenfalls kam er auf uns zu und
sagte: ›Nun aber genug. Kommt, setzt euch ein bisschen zu mir!‹
Wir saßen dann bei ihm auf einer
Gartenbank. Gespannt folgten wir den Schilderungen über sein letztes Abenteuer.
Vieles habe ich wieder vergessen. Aber angeblich hatte er sich und zwei Schüler
zuvor auf Millimetergröße verkleinert. Mit einem von ihm eigens dafür
konstruierten, winzigen Fahrzeug wären sie tief unter die Erdeoberfläche
gefahren um dort die ihnen nun wie riesige Ungeheuer erscheinenden
Kleinlebewesen aus nächster Nähe zu betrachten.«
Christian zog die Stirn kraus und
sah Claudia skeptisch an, die dann fortfuhr:
»Ich erinnere mich noch gut an
die Frage des Doktors: ›Na, was sagt ihr nun? Das war also meine letzte
Expedition.‹ Da hatte mein Bruder gelästert. ›Nicht übel, aber das haben
Sie doch nicht wirklich erlebt!‹
›Aber gewiss doch, so wahr ich
Martin Curtius heiße!‹, hatte er gesagt.
›Und was wurde aus den beiden
Schülern?‹ , fragte ich. Daraufhin sah er
mich etwas verlegen an:
›Also, das waren die
Abel-Kinder, ein Zwillingspaar. Ihr Vater war ein berühmter Schauspieler, die
Mutter eine begnadete Pianistin. Hm, ja, hm, i-ich habe den Ro-ro-bert, – alle
nannten ihn ‹Robby›, leider aus den Augen verloren‹ , fing er auf einmal zu stottern an. ›Aber der wird mal ein guter
Biologe werden. Von seiner Schwester, der ‹Franzi›, sie hieß eigentlich
Franziska, habe ich ebenfalls nichts mehr gehört. Ich gab nämlich nach unserer
letzten gemeinsamen Unternehmung den Schuldienst aus gesundheitlichen Gründen
auf und wandte mich der privaten Forschung zu.‹
›Aber Sie machen doch auch mit uns mal eine solche
Expedition, nicht wahr? ‹ , wollte Max wissen.
›Na klar, versprochen ist versprochen‹ , gab ihm Doktor Curtius zu verstehen. ›Habt ihr beiden
vielleicht nächste Woche Zeit? Dann könnten wir was unternehmen.‹ Dabei
schaute er uns über seine Brille hinweg mit seinen lustigen Augen an. Wir
verabredeten uns dann für die darauffolgende Woche, aber leider ist Doktor
Curtius kurz davor verstorben. Nun konnte er sein Versprechen nicht mehr
einlösen, wir waren deswegen
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