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Sträfliche Neugier

Sträfliche Neugier

Titel: Sträfliche Neugier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus H. Stumpff
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der sich mit biologischen Experimenten
beschäftigte. Und dann berichtete sie über den tragischen Vorfall, in den sie
und ihr Bruder hineingeschlittert waren. Sie beschwor Christian, mit niemandem
darüber zu sprechen.
    »Es begann vor acht Jahren. Ich war ein hübsches Mädchen
von zwölf Jahren mit langen blonden Zöpfen. Das sage ich nicht etwa aus
Eitelkeit, sondern du sollst wissen, dass ich nicht immer so aussah wie heute.
Ich ging in die sechste Gymnasialklasse, meine Lieblingsfächer waren Sport und
Biologie.
    Mein Bruder Max dagegen war bereits fünfzehn und hatte eine
Lehre als Kfz-Mechaniker begonnen. Dass er einen technischen Beruf erlernen
würde, stand außer Frage. Sein einziges Handikap war, dass ihm an der linken
Hand der Mittelfinger fehlte. Er war schon immer ein ziemlicher Draufgänger. So
hatte er einmal – unvorsichtig wie er war – mit Schwarzpulver experimentiert,
zum Glück draußen im Garten. Dabei kam es zu einer heftigen Explosion, wobei
ihm dieser Finger zerfetzt wurde und amputiert werden musste. Aber Max war ein
Fatalist und betrachtete das als Schicksalsfügung.
    Wenn unsere Eltern verreist waren, dann trieben wir uns
gern im Garten des Doktor Curtius herum. Der war erst vor einem Jahr im
Nachbarhaus eingezogen und gab an, Biologe und Erfinder zu sein. Er war um die
fünfundfünfzig und von kleiner, rundlicher Gestalt, hatte eine ausgeprägte
Glatze, eine dicke Knollennase und wulstige Lippen. Eine Schönheit war er
wirklich nicht, weshalb er wohl auch keine Frau gefunden hatte. Aber unter
seinen dichten Augenbrauen schauten lustig blickende Augen hervor. Dieser Mann
stellte Versuche an, um das Größenwachstum von Pflanzen anzuregen. Fall seine
Erfindung zum Einsatz käme – behauptete er – würde man doppelt so dicke
Kartoffeln und kürbisgroße Kohlköpfe ernten. Auch Äpfel und alle anderen
Obstsorten würden dann um ein Vielfaches größer werden.«
    Christian unterbrach sie: »Hattet ihr denn keinen eigenen
Garten und keine Freunde. Es ist doch ungewöhnlich, dass sich zwei muntere
Kinder ständig bei einem alten Nachbarn herumtreiben, oder sehe ich das
falsch?«
    Claudia lachte. »Natürlich hatten wir einen Garten und
spielten darin mit unseren Freunden. Dazu gehörten auch Beate und Thomas
Herzog, die schräg gegenüber wohnten, allerdings viel jünger waren als Max und
ich. Aber sie besaßen keinen Garten und unsere Familien waren befreundet. Den
Eltern Herzog gehörte die Burg-Apotheke in Waldnitz. Alles klar? Nun aber
wieder zu Doktor Curtius.«
    Sie holte tief Luft und erzählte dann weiter:
    »Dieser seltsame Typ war früher Fachlehrer für Biologie und
Chemie an einem Gymnasium in der Nähe Münchens. Wie er uns erzählte, führte er
nach dem Unterricht auch solche Experimente durch, die in keinem Bezug zum
schulischen Lehrstoff standen. Dadurch handelte er sich bereits einigen Ärger
mit Kollegen ein und war auch vom Schulleiter gerügt worden. Aber das kümmerte
ihn wenig, sogar einen Käfig mit weißen Mäusen stellte er auf der Fensterbank
des Biologie-Labors ab; mit den Nagetierchen wollte er irgendwelche Versuche
durchführen. Das verriet er natürlich niemandem, um nicht der Tierquälerei bezichtigt
zu werden. Als wir ihn an einem Nachmittag in dem Labor aufsuchten und er mal
kurz hinausging, entdeckte ich hinter dem Papierkorb einen von ihm
beschriebenen, zerknüllten Zettel, der wohl versehentlich daneben gefallen war.
Ich steckte ihn ein, um später zu lesen, was draufstand.«
    Claudia ging kurz hinaus und kehrte mit dem
zusammengefalteten Notizzettel zurück. Sie gab ihn Christian, der das Papier
glatt strich und kopfschüttelnd las, was Doktor Curtius einst aufgeschrieben
hatte:
     
    Kürzlich war eine der Putzfrauen unvorsichtig an den
Mäusekäfig gestoßen und hatte wohl nicht bemerkt, dass sich dabei die Gittertür
einen Spalt weit geöffnet hatte. Als ich am nächsten Morgen wie immer schon
eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn in den Biologie-Vorbereitungsraum kam,
suchte ich vergeblich nach den Mäusen. Alle waren weg bis auf eine, die es
offenkundig genoss, nun das ganze Futter für sich allein zu haben. Aber wo
waren die anderen? Plötzlich entdeckte ich eine winzige Maus, deren Körperlänge
vielleicht gerade mal einen Zentimeter maß, dann eine weitere, und dann noch
eine und noch eine. Was war hier bloß passiert? Ich hegte einen schrecklichen
Verdacht, hatte ich doch längere Zeit mit Substanzen experimentiert, die
bestimmte Pflanzen zu

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