Sträfliche Neugier
begegneten
sich die Freunde in der Nähe der Schloss-Apotheke. Beide waren aus Neugier mit
ihren Rädern an dem Herzogschen Haus vorbeigefahren und hatten das
Polizei-Aufgebot bemerkt. Aber keiner ahnte den Grund, warum der andre gerade
jetzt hier unterwegs war.
»Hallo, Max!«, rief Tim schon von weitem. »Was tust du denn
hier schon in aller Herrgottsfrühe?«
»Ich drehe hier jeden Morgen meine Runde«, erwiderte Max.
»Wenn man schon keine Arbeit hat, dann muss man wenigstens etwas für seine
Gesundheit tun. Hast du schon gesehen? Bei der Schloss-Apotheke geht’s heute
hoch her. Sieht so aus, als sei dort eingebrochen worden.«
»Ja, da muss was passiert sein, die Zeitung wird noch davon
berichten. Wenn du Lust hast, dann komm mit mir. In meinem Wohnwagen können wir
dann mal wieder ausgiebig plaudern.«
Da Max nichts weiter zu tun hatte, nahm er die Einladung an
und fuhr mit Tim in dessen notdürftige Behausung, einen gebraucht gekauften
Wohnwagen auf dem Burgstädter Campingplatz.
Tim ist früh Vollwaise geworden. Sein Vater Erwin Lorenz
war Lokomotivführer. Bei einem Zusammenstoß zweier Regionalbahnen auf einer
eingleisigen Bahnstrecke in Oberbayern waren er und knapp fünfzig Fahrgäste ums
Leben gekommen. Lokführer Lorenz trug die Schuld an diesem schrecklichen
Unglück, denn er hatte ein Haltesignal nicht beachtet und seinen Zug nach einem
Halt wieder in Bewegung gesetzt, obwohl er noch den Gegenzug hätte abwarten
müssen.
Trotz der Trauer wurde Tims Mutter mit der Schande, die ihr
Mann über die Familie gebracht hatte, nicht fertig. Sie erlitt einen
Nervenzusammenbruch und verstarb ein Jahr später in einer psychiatrischen Klinik.
Sie hinterließ ihrem Sohn einige Ersparnisse, an die er jedoch erst nach
Erreichen der Volljährigkeit herankam.
Der damals sechsjährige Tim hatte bis zum tragischen Tod
seines Vaters eine ziemlich glückliche Kindheit gehabt. Infolge der Erkrankung
seiner Mutter veränderte sich sein ganzes Wesen, er wurde aggressiv und nässte
wieder ein. Sein Verhalten war so auffällig, dass er eine Sonderschule besuchen
musste. Seine dortige Lehrerin war Henriette Berger, die Frau des Inhabers der
Schloss-Apotheke.
Nach dem Tod von Tims Mutter kümmerte sich Frau Berger
rührend um den Buben und vermittelte ihm einen Pflegeplatz bei dem kinderlosen
Hausmeister-Ehepaar der Schule, Hans und Trude Beißbarth. Leider war das ein
Missgriff, denn diesen Leuten kam es einzig und allein auf das Geld an, das sie
vom Jugendamt erhielten, und sie kümmerten sich nur wenig um das elternlose
Kind. Den Beißbarths wurde daraufhin die Sorge wieder entzogen, und Tim landete
in einer Internatsschule für schwer erziehbare Jugendliche. Damit hatte er ein
Glückslos gezogen, denn diese Schule befand sich in einem Wintersportort der
bayerischen Alpen. Seine dortigen Lehrer und Betreuer waren erstklassig
ausgebildete Erzieher und fanden nach und nach Zugang zu dem schwierigen,
verschlossenen Jungen. Tim lernte jetzt Ski laufen, und schon bald war ihm
keine Piste steil genug. Bei Wettbewerben errang er immer einen der ersten
Plätze, was schließlich auch seinem Selbstwertgefühl zu Gute kam und
sportlichen Ehrgeiz aufkommen ließ. Allerdings erreichte er nur mit Ach und
Krach den Hauptschulabschluss. Anschließend absolvierte er mit besserem Erfolg
die Lehre als Elektromechaniker, aber seine Lehrfirma ging in Konkurs und er
wurde arbeitslos. Daraufhin entschied er sich für den Dienst in der Bundeswehr,
denn dort sah er für sich die besten Berufschancen
Nach der Grundausbildung wurde er als Gefreiter einem
Transportbataillon zugeteilt, wo er auch den Militärführerschein erwarb. Das
Fahren riesiger Lastwagen, Omnibusse und Amphibienfahrzeuge machte ihm viel
Spaß. Den oft harten Dienst betrachtete er als Sport und schon nach kurzer Zeit
wurde er zum Obergefreiten befördert.
Die Unteroffizierslaufbahn stand ihm nun offen, und in
einigen Jahren hätte er bis zum Hauptfeldwebel aufsteigen können. Aber leider
geriet er unter den schlechten Einfluss einiger Kameraden. Weil er gutmütig und
auch etwas labil ist, beteiligte er sich an einem Einbruch ins Waffendepot.
Während ihres nächtlichen Wachdienstes entwendeten sie daraus mehrere
Maschinenpistolen. Da die Gruppe eindeutige Spuren hinterließ, wurden alle
gefasst. Wegen ihrer Jugend und bisherigen Straflosigkeit kamen sie mit einer
Bewährungsstrafe, allerdings auch unehrenhafter Entlassung aus der Bundeswehr
davon
Für Tim brach eine
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