Sträfliche Neugier
ihren Fernsehgeräten. Und kalt war es auch. Max fror ziemlich,
als er am Eingang des Herzogschen Hauses vorbei den schmalen Weg zur Haustür des
Nachbarhauses schlich. Er war aufgeregt und schaute sich um, aber in dieser
Dunkelheit konnte ihn niemand sehen. Die Haustür war verschlossen, wie er schon
vermutet hatte. Vorsichtig lief er um das Gebäude herum und entdeckte ein
Fenster, das leicht gekippt war. Er leuchtete mit seiner Taschenlampe umher und
entdeckte einen alten Gartenstuhl, stieg hinauf und erreichte den Fenstersims.
Problemlos gelang es ihm, mit Hilfe eines langen Drahts den Fenstergriff
anzuheben und das Fenster zu öffnen. Mit Schwung erklomm er die Fensterbank und
sprang in den Raum. Es war die Küche, wie er im Schein der Taschenlampe
feststellte.
Obwohl das Haus unbewohnt war, stieg Max leise die Treppe
hinauf bis ins Dachgeschoss. Der große Raum war fast leer, nur ein paar alte
Möbel standen herum. Max schlich auf die breite Eisentür zu, die durch die
Brandmauer ins Herzogsche Haus führte. Die Tür besaß zum Glück keine Schließung
und ließ sich leicht öffnen. Vor sich sah er nun den vertrauten Dachboden, der
jetzt ebenfalls ausgeräumt war. Zögernd betrat er die kleine Kammer im
rückwärtigen Teil des Raums. Er zog einen alten Stuhl herbei und nahm die
Schatulle herunter. Dabei fiel ihm auf, dass sie wieder genau so schön glänzte,
wie früher. Es muss also nach ihm noch jemand hier oben gewesen sein, der dann
die Schatulle abputzte. Er konnte nicht wissen, dass erst vor wenigen Tagen der
Apothekersohn Tom Herzog die Schatulle von dem Staub der vielen Jahre befreit
hatte. ›Jetzt habe ich dich endlich!‹ , strahlte er. Diesmal hatte er ein
Blumendraht dabei. Geschickt entriegelte er die Schließung und klappte den
Deckel hoch. Obenauf befand sich immer noch die weiße Pappe mit dem Aufdruck
ACHTUNG: SEHR GEFÄHRLICHER
INHALT!
VERWENDUNG NUR zu EXPERIMENTALZWECKE n !
KINDERSICHERE AUFBEWAHRUNG – NICHT
BERÜHREN !
DOKTOR CURTIUS
Darunter lagen auch die Ampullen und der ganze Krimskrams. ›Gott
sei Dank, es ist noch alles da‹ , freute er sich. Als er den Deckel wieder
herunterklappen wollte, bemerkte er an der Zuhaltung des kleinen Schlosses
einen winzigen Riegel, den er mit dem Drahtstück zur Seite schob. Jetzt war die
Schließung entsperrt und ließ sich ohne Schlüssel öffnen.
Vorsichtig stieg Max wieder vom Stuhl hinunter, steckte die
Schatulle in einen Plastikbeutel und umwickelte ihn mit einer Kordel. Dann nahm
er den gleichen Weg zurück, zog die Eisentür hinter sich zu und stieg wieder
die Treppe des Nachbarhauses hinunter. Dabei geriet er ins Stolpern. Auch das
noch!, schimpfte er mit sich, jetzt aber nichts wie weg! Er drehte am Knauf der
Eingangstür und stellte fest, dass die Tür nur zugezogen und nicht
abgeschlossen war. So konnte er sich den Rückweg durchs Küchenfenster ersparen.
Die Tür fiel etwas zu laut hinter ihm ins Schloss. Max blieb eine Weile stehen,
schlug wegen der kalten Nachtluft den Mantelkragen hoch, klemmte sich das
Päckchen unter den Arm und entfernte sich rasch mit seinem leicht hinkenden
Gang, wobei seine Gestalt lange Schatten auf die Gehwegplatten warf. Er
bemerkte nicht, dass ihn zwei Augenpaare aus dem Herzogschen Haus verfolgten.
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51
Die
Verwechslung
– Eine
Rückblende –
V ictor
Kornbichler war an jenem Mittwoch im Gasthaus ›Zur blauen Lampe‹ eingetroffen.
Der Wirt Eddy Bausewitz hatte ihn damals freudig begrüßt und ihm dann einen
Tipp gegeben:
»Wie wäre es, wenn du ihm zuvor kämst?«, hatte er gesagt.
»Am heutigen Mittwoch gibt’s doch im Fernsehen Fußball, da ist kaum jemand auf
der Straße. Guck’ dich doch mal ein bisschen in der Gegend um, du kennst doch
die Siedlung ›Unter der Hohenburg‹ . Dort in der Hohenburgstraße wohnt
angeblich sein Testamentsvollstrecker, so ein Verwandter von ihm. Miroslav ging
heute morgen fort, vielleicht kommt er gerade von dort und hat den ganzen Kram
dabei, ein kleines Paket oder so. Du musst nur ein bisschen die Augen
aufhalten. Und dann, – ein kleiner Schlag auf den Hinterkopf, und schon bist du
um einiges reicher!«
Daraufhin war Victor auf dem alten Fahrrad, das er auf dem
Hof des Fahrradhändlers Braun gestohlen hatte, durch die menschenleeren Straßen
geradelt. Nur gelegentlich hatte er aus den Häusern das Aufschreien der
Fernsehzuschauer während einer kritischen Torszene
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