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Sträflingskarneval

Sträflingskarneval

Titel: Sträflingskarneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Eickert
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dem Ryan Platz genommen hatte. Der Rest hatte sich wahllos um den Tisch herum verteilt. Dabei entging niemandem, dass Aidan seinem Vater immer wieder nervöse Blicke zuwarf, ansonsten aber schwieg. Natürlich war er erleichtert, seinen Vater lebend wieder zu sehen, trotzdem schien immer noch eine Art unsichtbarer Barriere zwischen ihnen zu bestehen, die schon bereits vor dem Angriff der Dalta Temelos auf den Orden und die damit verbundenen Schwierigkeiten existiert hatte. Ihre jeweiligen Ansichten darüber, wie Aidan der Familie dienlich sein könne unterschieden sich wie Feuer und Wasser, doch wenn Lawren eines war, dann unendlich stolz auf seinen einzigen Sohn.
    Ryan hatte vor dem Einschlafen noch mit Aidan über seine wiedergekehrten Ängste bezüglich seines Vaters geredet, die durch dessen plötzliches Auftauchen erneut in ihm geweckt worden waren. Ryan hatte versuchte ihm klarzumachen, dass diese Ängste nichts waren im Vergleich zu dem, was sie in den letzten Stunden und Tagen durchmachen musste, und dass Lawren McGrath schließlich nur sein Vater sei, und kein menschenfressender Dämon. Nach langem, gutem Zureden konnte er Aidan schließlich das Versprechen abringen, den ersten Schritt zu machen und auf seinen Vater zuzugehen. Seinerseits gab er ihm sein Ehrenwort, dabei fest wie eine Mauer hinter ihm zu stehen. Anschließend schliefen sie erschöpft aber zufrieden Arm in Arm ein.
    Während Ryan am Frühstückstisch noch einmal über das Gespräch nachdachte, unterhielten sich die anderen angeregt miteinander. Sie erfuhren, dass Lawren nie wieder ohne Krücken würde laufen können. Seine Füße waren dermaßen deformiert, dass selbst ein erneutes Brechen oder eine Operation nichts mehr an der Lage ändern würde. Nur die unzähligen Brand- und Peitschennarben waren mit der geheimen Heilsalbe des Ordens behandelt worden und würden mit der Zeit abheilen. Auch seine starke Unterernährung und seine fast nicht mehr vorhandenen blonden Haare würde man wieder in den Griff bekommen. Er hatte in letzter Sekunde noch Glück im Unglück gehabt.
    Ryan und Aidan kauten jeweils an einer Scheibe trockenem Toast, nippten an ihren Tassen mit schwarzem Tee und lauschten aufmerksam dem dahinplätschernden Gespräch der anderen.
    „Habt ihr beide denn wenigstens gut geschlafen?“, fragte Rossalyn sie schließlich aufmunternd, sie wollte mit ihrer Frage ein wenig die Anspannung zwischen den drei Männern auflockern. Für sie zählte Ryan mittlerweile zur Familie.
    „Ja, wir sind gleich eingeschlafen, Mum“, erwiderte Aidan, legte den Toast beiseite und lehnte sich auf dem Stuhl zurück.
    „Das freut mich“, sagte sie und lächelte. „Deinem Vater geht es auch schon besser. Ophelia will ihm später richtige Krücken in der Stadt besorgen, damit er besser laufen kann. Diese provisorischen sind nichts, stimmt’s, Lawren?“ Dabei schielte sie in eine Ecke, wo Kendra heute Morgen zwei stärkere Äste aus dem umliegenden, verwilderten Garten mithilfe zweier Handtücher und einer Schnur in Laufkrücken verwandelt hatte.
    „Ich sagte doch, ich brauche keine und dabei bleibt’s! Es geht auch ohne“, fuhr er sie überraschend grob an.
    Der barsche Tonfall ließ Ryan und Aidan zusammenzucken. Lawren wirkte nicht mehr wie der alte – manchmal zynisch und rechthaberisch auftretende – Lawren McGrath, den beide kannten, obwohl das nach seinem gebrechlichen Zustand, den Folterungen und dem langen Gefängnisaufenthalt in der schwarzen Hölle eigentlich auch kein Wunder war. Stattdessen schien er sehr darauf erpicht, dass sich niemand unnötig um ihn sorgen musste. Auf absurde Weise erinnerte er Ryan an seinen toten Urgroßvater, der es stets gehasst hatte, wenn sich andere Leute um ihn kümmerten.
    „Aber du brauchst welche“, gab Rossalyn Kontra. „Oder wir besorgen dir einen Rollstuhl. Diese Diskussion hatten wir schon heute Nacht, und du weißt …“
    „Schon gut, schon gut“, winkte Lawren mürrisch ab und blickte nun stirnrunzelnd zu seinem Sohn. Aidan rückte automatisch näher an Ryan heran, denn der unzufriedene Gesichtsausdruck seines Vaters behagte ihm nicht. Dieser ließ auch prompt die Bombe platzen. „Mein Sohn, ich wünsche keinerlei intimen Umgang mit einem Mann, hast du verstanden? Du bist ein McGrath und nicht irgendein daher gelaufener Tunichtgut, der in den Tag hinein lebt und sich keine Gedanken um seine Mitmenschen macht. Wenn der ganze Spuk – hoffentlich bald – ein Ende hat, suchen wir dir eine

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