Sträflingskarneval
gehofft, dass euch nichts passiert. Als du und deine Freunde mich befreit habt“, sprach er eindringlich weiter und bemerkte dabei aus den Augenwinkeln, wie Ryan langsam wieder näher kam, „habt ihr mir eine zweite Chance im Leben geschenkt. Diese möchte ich jetzt nutzen. Also bitte, glaube mir, Aidan, ich möchte es versuchen, aber du musst mir Zeit geben.“
Daraufhin herrschte erst einmal Schweigen.
„Du meinst es tatsächlich ernst“, entgegnete Aidan schließlich verblüfft und spürte ein unbeschreibliches Glücksgefühl in sich. Er kannte seinen Vater, und wenn er solche gewichtigen Worte aussprach, dann entsprachen sie der Wahrheit. Völlig unerwartet begann er ihn mit ganz anderen Augen zu sehen, und seine Wut löste sich langsam in Rauch auf und wurde durch Neugier ersetzt.
„Natürlich meine ich es ernst.“ Lawren lächelte warmherzig und streckte Aidan seine abgezehrte Hand entgegen. „Wir fangen von vorne an und der erste Schritt ist, dass ich meinen Sohn glücklich sehen möchte. Und in ein paar Tagen treten wir Hinthrone gemeinsam in den Arsch!“
Verblüfft sah Aidan seinen Vater an und musste lachen, dann griff er nach seiner Hand und sie besiegelten unter Ryans strenger Aufsicht ihren ungewöhnlichen Neuanfang. Anschließend reichten sich auch Ryan und Lawren die Hand und boten sich gegenseitig das Du an.
*
Der restliche Tag verlief sehr ruhig. Für Lawren wurden richtige Krücken besorgt, und alle versuchten sich von der aufregenden Flucht und ihren Folgen zu erholen. Am Abend gingen sie früh zu Bett, um am nächsten Morgen mit neuen Kräften zu besprechen, wie sie weiter vorgehen sollten. Denn eines war klar: Hinthrone hatte erst angefangen und würde nicht aufgeben, bis er den Wächterring in Händen hielt.
Nachdem sich die Gruppe am nächsten Morgen nach dem Frühstück im Wohnzimmer eingefunden hatte, sah jeder Lawren McGrath erwartungsvoll an, dem es offensichtlich schwerfiel, über das Folgende zu sprechen. „Wie ihr nun wisst, lässt Bartholemeus größere Geschütze auffahren und das ist erst der Anfang. Ich gebe es ungern zu, aber er hat auch dazu gelernt. Früher war er schon ein schlaues Kerlchen, aber da hat er sich wenigstens noch an die Gesetze gehalten.“
„Was soll das heißen, Dad? Kennst du ihn etwa besser als die anderen?“
„Leider“, antwortete er knapp und schwieg danach. Nervös spielte er mit den Fingern, denn er war sich unsicher, wie sein Sohn und seine Freunde auf die ganze Wahrheit reagieren würden. Er wusste zwar von seiner Frau, dass sie ihnen bereits einiges anvertraut hatte, aber das war nichts im Vergleich zu der ganzen Wahrheit.
„Entweder wir spielen jetzt mit offenen Karten, oder gar nicht“, sagte Aidan, als sein Vater immer noch nichts sagte. „Jeder spricht immer nur in Rätseln; und so langsam nervt es gewaltig. Die Männer vom Großmeister wollen uns am liebsten tot sehen, also rück jetzt endlich raus mit der Sprache.“
„Schon gut“, beschwichtigte Lawren ihn. „Es ist nicht so einfach, darüber zu sprechen, müsst ihr wissen. Angefangen hat alles, als wir … deine Eltern“, dabei sah er Aidan direkt in die Augen, „noch auf Omey Island unterrichtet wurden. Damals war Bartholemeus Lehrer für alte Runenschrift, Geschichte des Ordens und Astronomie. Manchmal hat er mit uns Schülern auch alte Rituale gefeiert, zum Beispiel die traditionelle Wiederkehr des Lichts am 1. Februar. Wir haben uns über das Schulgelände verteilt und mit Fackeln den Frühling begrüßt. Er schaffte es sogar, uns mit dem Feuer – das älteste gehütete Element unseres Glaubens, das dürft ihr nie vergessen – und einem fast schon vergessenen Gebet unserer Vorväter in Trance zu versetzen, um die rituelle gedankliche Reinigung zu vollziehen, damit wir mit neuer Kraft dem Sommer entgegen treten konnten. Mich hat er damals beeindruckt und oft den anderen Schülern gegenüber bevorzugt, manchmal hat er mich sogar privat in alten Ritualen unterrichtet … aber Entschuldigung, ich schweife ab. Was ich damit eigentlich sagen will, so haben wir Bartholemeus alle kennen und schätzen gelernt. Doch kaum waren Rossalyn und ich aus der Schule, dauerte es nur ein paar Monate und er hat Hals über Kopf seinen Job im Internat gekündet. Angeblich, weil er auf große Weltreise gehen wollte. Das war der Anfang von allem. Colin hat ihm diesen Unsinn geglaubt, aber ich fand schon damals, dass es sich nach einer billigen Ausrede anhörte. Doch es kam nur
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