Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
habe, werde ich alle holen und zu ihnen sagen: ›Seht, das ist Tanja Sossnowskaja. Vielmehr – das war sie. Jetzt ist sie nur noch ein Kadaver. Früher einmal war sie eine von uns. Aber dann machte sie sich an einen Deutschen heran. Sie hat uns verraten. So wird es jedem gehen, der uns verrät …‹«
    Tanja lehnte gegen die Lehmwand. Ihre Hand, mit der sie an den Hals griff, zitterte. »Geh«, stöhnte sie. »Du bist ein Teufel!«
    »Bin ich das – bin ich das? Ein Teufel und eine Dirne – wie das gut zusammenpaßt! Paßt das gut zusammen?« Während er sprach, kam er langsam näher, griff mit der Hand unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht empor. »Sieh mich an, du Dirne, los sieh mich an! Was hast du getan? Hast du alles vergessen? Hast du uns alle vergessen?«
    »Ich liebe ihn«, flüsterte sie.
    »Hündin!« schrie er voller Wut und Schmerz, trat einen Schritt zurück und schlug auf sie ein. Wortlos, verbissen, ein Schlag nach dem anderen. Sie fiel neben dem Ofen auf den Boden, er beugte sich und schlug weiter auf die Kniende ein. Sie hatte die Arme schützend über den Kopf gelegt, wehrte sich nicht und schrie nicht. Mit geschlossenen Augen ertrug sie die Schläge, ein Bündel schuldbewußter, armseliger Mensch, bis es ihr schwarz vor den Augen wurde.
    Sergej richtete sich wieder auf, drehte mit dem Stiefel die Ohnmächtige auf den Rücken und wartete geduldig, reglos, bis sie wieder zu sich kam und die Augen öffnete. Als er sicher war, daß sie ihn sah und wiedererkannte, sagte er:
    »Ich komme wieder. Ich werde dich töten!«
    Dann trat er aus dem Haus, schloß die Tür sorgfältig hinter sich zu und nickte freundlich einigen Pionieren zu, die mit langen Eisenstangen die gesprengten Eisschollen vom Ufer stießen. Nach allen Seiten demütig grüßend, ging er die Uferstraße entlang und verschwand in dem Gewirr halbzerstörter Häuser und Schuppen am Rande von Orscha.
    In einer erhalten gebliebenen Banja erst fiel die Demut von ihm ab wie der Pelz, den er auszog und in die Ecke warf. Einen Augenblick stand er wie versteinert da, doch dann konnte er es nicht mehr ertragen. Mit den Fäusten und der Stirn schlug er gegen die Wand, und aus seiner Brust entrang sich ein entsetzlich anzuhörendes Schluchzen:
    »Gib mir die Kraft, das zu ertragen!« schrie er. »O Gott, laß mich nicht verrückt werden – laß mich nicht verrückt werden!«
    Es war das erstemal in seinem Leben, daß er Gott anrief. Aber er merkte es nicht. In ihm war sonst nichts als ein schrecklicher, brennender, unerträglicher Schmerz.
    Zu derselben Stunde, als Deutschmann den Schlitten bestieg, ohne sich um den fluchenden Fahrer zu kümmern, der bereits eine halbe Stunde in der bitteren Kälte gewartet hatte, tauchte bei der 2. Kompanie im vorderen Grabenabschnitt eine dickvermummte und dennoch zackig aussehende Gestalt auf, die allgemeines Verwundern erregte: Oberleutnant Bevern. Er kam von der 1. Kompanie Oberleutnant Wernhers herüber, um die Schanzarbeiten der 2. Kompanie zu kontrollieren.
    Der erste Soldat, auf den Bevern stieß, war Wiedeck. Er lehnte die Spitzhacke, mit der er vergeblich gegen den steinhart gefrorenen Boden ankämpfte, bedächtig gegen die Grabenwand, baute ein nachlässiges Männchen und meldete:
    »Schütze Wiedeck bei den Schanzarbeiten. Keine besonderen Vorkommnisse.«
    »Welche Kompanie?« schnauzte Bevern. »Ist das eine Meldung? Schanzen Sie etwa für Latrinenreiniger?«
    »Jawohl, Herr Oberleutnant!«
    Bevern riß die Augen auf. »Was soll das heißen?«
    »Jawohl, Herr Oberleutnant!«
    Was sollte Bevern tun? Gegen dieses ›Jawohl‹ – und er wußte, daß dieser sture Soldat auf alle seine weiteren Fragen nur Jawohl sagen würde – konnte er nichts ausrichten, wenigstens nicht hier im Graben. So sagte er nur: »Wir sprechen uns noch, Wiedeck, wir sprechen uns noch!«
    Wütend stapfte er weiter, den Graben entlang, vorbei an einigen Soldaten, die ebenfalls stramm grüßten und ihre Meldung so laut hinausbrüllten, daß die nächsten und übernächsten bereits gewarnt waren, bevor Bevern bei ihnen auftauchte.
    In den halbfertigen Bunkern lagen die anderen Männer der 2. Kompanie und schliefen erschöpft. Sie hatten die ganze Nacht gearbeitet, jetzt tagsüber durften sie ausruhen. Seit zwei Tagen mußten sie in den Stellungen bleiben. Es wurde befohlen, daß die Arbeit beschleunigt zu beenden sei. Aber sie waren ganz glücklich darüber, denn durch die Linien waren einige russische Scharfschützen gesickert und

Weitere Kostenlose Bücher