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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Antwort Schwaneckes ging an ihm vorbei, als hätte er sie gar nicht gehört. Er dachte nur daran, daß er ihn jetzt hatte. Jetzt gab es keine Ausflüchte und Mätzchen mehr. Der Mann war schon so gut wie tot. Und das war richtig so. Es war das Beste, was geschehen konnte, daß es gerade Schwanecke war, den er hier erwischt hatte.
    »Warum? Ich bin ja schon wach«, sagte Schwanecke.
    »Stehen Sie auf!«
    Schwanecke stand langsam und sich reckend auf. Dann gähnte er. »Sie kommen immer in einem unrichtigen Augenblick«, sagte er, zum zweitenmal gähnend. »Ich habe gerade …«
    »Sie haben geschlafen!«
    »Das wollte ich Ihnen ja sagen. Ich habe gerade geträumt, ich wäre in Hamburg mit so 'ner hübschen Blonden … Sie können gar nicht glauben, was für tolle Hüften sie hatte. Und nun kommen Sie …«
    »Sie haben geschlafen – und Sie geben es zu?«
    »Na klar«, sagte Schwanecke. »Allerdings habe ich Sie schon bei der dritten Krümmung von hier ab gehört. Sie haben auf der Kriegsschule nicht aufgepaßt, Herr Oberleutnant! So darf man sich an der Front nicht anschleichen!« Sein Gesicht grinste, seine Stimme grinste – nur seine Augen waren kalt, leblos wie zwei Glaskugeln.
    »Wissen Sie, was das bedeutet?« fragte Bevern lauernd.
    »Nee. Was denn?«
    Bevern sagte langsam: »Schlafen auf Posten in unmittelbarer Nähe des Feindes …«
    »Ach so – das meinen Sie! Und wie geht's weiter?«
    »Kriegsgericht«, sagte Bevern ruhig. »Und das wird gleich hier bei uns erledigt. Packen Sie Ihre Siebensachen, Sie kommen mit.« Er war ruhig, Schwaneckes dreckige Antworten prallten wirkungslos an ihm ab. Warum sollte er sich noch darüber aufregen, der Mann war sowieso erledigt.
    »Darf ich nicht – bevor nicht die Ablösung kommt«, sagte Schwanecke. »Leisten Sie mir so lange Gesellschaft, Herr Oberleutnant? Wir könnten uns – wir könnten uns aussprechen, Herr Oberleutnant. Was meinen Sie? … Wir sind ja ganz allein hier, und wir bleiben noch eine ganze Weile allein. Es ist doch eine Gelegenheit … ein Wort unter Männern …«
    Die kalte, überlegene Ruhe fiel langsam von Bevern ab. Schwaneckes Worte drangen nur nach und nach in sein Bewußtsein, doch dann verstand er. Über seinen Rücken kroch es eisig, und er machte einen Schritt zurück, als wollte er in den Laufgraben entweichen. Doch Schwanecke streckte ganz langsam den Arm aus, packte ihn an den Mantelaufschlägen, zog ihn zu sich und drehte sich dabei selbst so, daß er den Rückweg versperrte.
    Bevern war unfähig, sich zu widersetzen. Es war zu ungeheuerlich, was jetzt geschah, es war unmöglich. Doch als er in Schwaneckes Gesicht sah, stürzte die Wirklichkeit über ihn: Es blieb wahr. Und dann sah er, wie sich Schwaneckes grinsender Mund öffnete und wie aus ihm langsam Worte kamen und wie Lebewesen in ihn drangen und von ihm Besitz ergriffen, bis jede Zelle seines Körpers von ihnen durchdrungen war:

»Vors Kriegsgericht, sagst du? Erschießen, sagst du? Puff-puff – und weg ist Schwanecke, meinst du? Das würde dir so gefallen, was? Schwanecke tot und Bevern – oder wie du schon heißt – freut sich wie ein Schneekönig …«
    »Lassen Sie mich vorbei!« zischte Bevern.
    »Aber, aber, sachte, sachte! Ich habe gesagt, wir wollen ein Wort unter Männern sprechen, du Schwein! Kannst du dich erinnern? Wir haben über viele Sachen zu sprechen. Nicht doch, nicht die Pistole, was willst du damit? Ich müßte dir auf das Pfötchen schlagen – weg die Hände!«
    Bevern ließ ab von der Pistolentasche. »Was wollen Sie – wissen Sie, was das bedeutet? Behinderung eines Vorgesetzten …«
    »Halt's Maul!« Schwanecke wischte sich über die Augen. Kleine Eisstückchen klebten an den Wimpern, jetzt grinste er nicht mehr, und Bevern hatte plötzlich das Empfinden, daß er weit, weit weg war von hier, wie ein Mann, der angestrengt über irgend etwas nachdachte. Und dann kam er wieder zurück, und als er weitersprach, grinste er nicht mehr:
    »Du bist ein verdammtes Schwein – und ich werde dich jetzt erledigen. Was glaubst du, wie sich die andern freuen werden, wenn du ein toter Mann bist? Das wird ein Feiertag für das ganze Bataillon. Kriegsgericht – meinst du? Nicht ich werde ins Gras beißen – das kannst du mit mir nicht machen!«
    »Sie – Sie –!« schrie Bevern mit einer hohen, fistelnden Stimme, sein Gesicht war verzerrt, und aus seinen Augen schrie unsinnige Angst. Und dann rief er um Hilfe, aber seine Stimme ertrank in der weißen Weite

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