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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geschrieben«, sagte er. »Ich möchte nur wissen, wie es dem Kleinen geht. Nimmt denn dieser Tag überhaupt kein Ende?«
    Der ehemalige Oberst Bartlitz, der bei der Küche von einem Leichtverwundeten abgelöst worden war, saß still und nachdenklich in einer Ecke des halbfertigen Bunkers, schlürfte heißes Wasser, das sie Tee nannten und über einem Knüppelfeuer in den Kochgeschirren wärmten, und träumte vor sich hin. Was würde wohl Brigitte schreiben? Obwohl sie die Tochter eines Generals war, der im Ersten Weltkrieg fiel, war sie auch dann tapfer geblieben, als er wegen Befehlsverweigerung degradiert und in dieses Bataillon geschickt worden war. Einmal durfte sie ihn besuchen, als er noch in Untersuchungshaft war, und sagte über den Besuchstisch hinweg, sehr ruhig und besonnen: »Kopf hoch, Liebster! Denk an Napoleon … es wird nicht allzu lange dauern!« Es war ein Glück, daß der wachhabende Feldwebel nicht wußte, wer Napoleon war …
    Als Bartlitz an diese kleine Szene zurückdachte, lächelte er kaum merklich. Brigitte hat ganz bestimmt geschrieben – und nicht nur einen einzigen Brief. Wenn kein Brief da war, dann mußte irgend etwas geschehen sein. Und wie so oft in den letzten Wochen und Monaten, fing er schweigend zu beten an: Gott, laß sie gesund bleiben, laß sie nicht umkommen bei den Luftangriffen, laß sie am Leben bleiben, laß mich zurückkommen zu ihr, laß mich sie finden, wenn ich zurückkomme …
    Zusammengekauert, mit grauem, eingefallenem Gesicht, das Kochgeschirr in der leicht zitternden Hand, mit abwesenden Augen saß er da, trank und betete.
    Im Hauptverbandsplatz Barssdowka hatte Oberfeldwebel Krüll die Post bereits gesichtet und einige Briefe aussortiert. Es waren Briefe an Schwanecke, Deutschmann, Kronenberg und an einige andere ›Lieblinge‹ des Oberfeldwebels. Vor allem der Brief an Deutschmann ärgerte ihn.
    Auf dem Umschlag stand: Herrn Dr. Ernst Deutschmann – und das war es, was ihm gegen den Strich ging. So nahm er einen Rotstift, strich alles durch und schrieb mit klobigen Buchstaben hin: Schütze E. Deutschmann.
    Dann nahm er die ganze Post, ging damit zu Obermeier, der in Dr. Bergens Zimmer saß und legte sie vor.
    »Auch für Schwanecke ist was dabei«, sagte er. »Soll ihm der Brief wirklich ausgehändigt werden, Herr Oberleutnant? Ohne Kontrolle?«
    Obermeier nickte. »Geben Sie mir den Brief. Ich werde ihn selbst aushändigen.«
    »Und Schütze Deutschmann?«
    »Warum fragen Sie? Haben Sie nicht gesehen, daß der Brief als dringliche Dienstsache eingestuft ist? Fragen Sie nicht so dumm, gehen Sie schon und verteilen Sie die Post, an die, die hier sind. Los, ab!«
    Wütend verließ Krüll Dr. Bergens Unterkunft. Immer diese Ausnahmen, dachte er bitter. Dringliche Dienstsache, was hat dieser Viertelsoldat für dringliche Dienstsachen zu bekommen! Aber die halten zusammen! Die halten immer zusammen, auch wenn einer ein Offizier ist und der andere nur ein Schütze. Die halten zusammen, wenn dieser Scheißschütze so'n lausiges Abitur hat und noch mehr, wenn er 'n Doktor ist. Was heißt hier schon – Doktor!?
    »Da, Herr Doktor!« sagte Krüll mit bissigem Spott, als er in der Lazarettbaracke Deutschmann fand. »Ein Brieflein aus der Heimat – dringliche Dienstsache für Herrn Doktor. Los – auffangen!« Er warf den Brief Deutschmann zu, aber er warf ihn absichtlich zu kurz.
    Deutschmann sagte nichts. Er bückte sich wortlos, hob den Brief auf und steckte ihn in die Tasche.
    Enttäuscht ging Krüll weg. Kein Rückgrat, diese Intellektuellen, dachte er grimmig, kein Mumm in den Knochen. Schwanecke hätte wenigstens: »Leck mich …« gesagt. Aber dieser Viertelsoldat! Zu vornehm, viel zu vornehm.
    In seiner Kammer neben der Scheune setzte sich Deutschmann auf einen Hocker und wog den Brief in der Hand. Er dachte zunächst, er wäre von Julia, und ein heißes Schamgefühl und nahezu Angst vor dem Schreiben drückten ihm das Herz zusammen. Als er dann aber sah, daß nicht Julia, sondern Dr. Kukill geschrieben hatte, war er doch enttäuscht. Warum schrieb Julia nicht? War etwas geschehen? Vielleicht – Bombenangriff? Warum schrieb ihm dieser Dr. Kukill? Was wollte er jetzt auf einmal? War es etwa – wegen Julia? Aber das war doch unmöglich!
    Langsam, zögernd riß er den Rand des Umschlages auf, faltete den Bogen auseinander und begann zu lesen.
    Nach den ersten Sätzen wurde sein Gesicht hart, aber je weiter er las, um so mehr verfiel es, bis es gegen Ende zu

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