Strandwoelfe
Laerte s verlassen mußtest?«
»Ja.« Sein Blick schweifte in die Ferne. »Er wollte Geld. Also beantwortete ich seine Beleidigungen auf die einzig ehrenhafte Weise.«
»Du hast ihn provoziert und dann umgebracht?« Richard wartete auf ein Zeichen von Schuldbewußtsein.
Doch Hugh zog nur seine Uhr und hielt sie unter die Lampe.
»Der zweite Teil deiner Frage ist richtig. Dieser verdammte Schuft!«
Bolitho schüttelte den Kopf. »Eines Tages wirst du’s zu weit treiben.«
Hugh lächelte zum erstenmal. Er schien erleichtert, wie befreit, daß er jetzt das Geheimnis mit jemandem teilte.
»Aber bis zu diesem traurigen Tag, mein Junge, ist noch allerhand Arbeit zu verrichten. Somit begib dich also an Deck und scheuch’ die Leute auf. Wir wollen Anker lichten, bevor es dunkel wird. Sonst landen wir noch deinetwegen als zersplittertes Wrack auf dem St. Anthony Head!«
Das Wetter hatte sich erheblich verschlechtert. Als Bolitho durch die Niedergangsluke an Deck stieg, schüttelte der Wind ihn wie mit Fäusten. Gestalten hasteten geschäftig hin und her, das Platschen ihrer nackten Füße auf den nassen Decksplanken erinnerte an eine Herde von Seehunden. Trotz des scharfen Windes und des sprühenden Gischtes trugen die Männer nur ihre karierten Hemden und weite weiße Hosen. Kälte und Nässe schienen ihnen nichts anzuhaben.
Bolitho duckte sich und sprang zur Seite, als die Jolle eingeschwenkt wurde und die Männer an den Davits noch zusätzlich mit eisigem Wasser begoß. Er sah den Bootsmann Pyke, der das Einsetzen leitete, bis das Boot an seinen Klampen festgezurrt war. Man konnte ihn sich gut als Zöllner vorstellen. Er hatte einen verschlagenen, listigen Blick und war völlig anders als jeder Bootsmann, den Bolitho bisher kennengelernt hatte.
Es würde einige Zeit dauern, bis er sich hier eingelebt hatte, dachte er. Überall prüften die Männer das Tauwerk auf den Belegnägeln, nahmen es ab, als erwarteten sie, es gefroren zu finden.
Es würde frühzeitig dunkel we rden. Bereits jetzt war das nächstliegende Land undeutlich und verschwommen, die Mauern von Pendennis und St. Mawes formlos und kaum zu erkennen. Gloag rief: »Drei Mann an die Pinne! Sie wird tanzen wie ‘ne Pastorentochter, sobald wir freikommen, Jungs!«
Jemand lachte; das war ein gutes Zeichen. Gloag mochte gefürchtet sein, wurde aber offensichtlich auch geachtet.
Dancer sagte rasch: »Hier kommt unser Kommandant, Dick.« Bolitho wandte sich um, als sein Bruder an Deck erschien. Trotz des Wetters trug er weder Überzieher noch Ölzeug. Die Aufschläge seines Offiziersrocks leuchteten sehr weiß in dem trüben Halbdunkel, und der Dreispitz saß verwegen schief. Bolitho legte grüßend die Hand an den Hut. »Der Master sagt, wir sind klar zum Ankerlichten, Sir.« Er war selbst überrascht, wie leicht ihm der förmliche Ton fiel. Aber es war die Marine, die jetzt sprach, nicht der Bruder zum Bruder.
»Danke. Lassen Sie kurzstag hieven und schicken Sie die Leute auf Station. Wir setzen Großsegel und Fock, sobald der Anker freigekommen ist; mal sehen, wie sie das verträgt. Sobald wir frei vom Land sind, will ich Fock und Toppsegel setzen.«
»Gerefft, Sir?«
Die Augen Hughs ruhten einen Augenblick auf ihm.
»Abwarten.«
Bolitho lief nach vorn in den plumpen Bug. Es schien unglaublich, daß die Avenge r so viel Zeug fahren konnte, und das an einem einzigen Mast und bei diesem Wind!
Er lauschte auf das metallische Klicken der Fallen, als die Männer ihr ganzes Gewicht in die Spillspaken legten. Er stellte sich vor, wie der Anker, mit seinen Flunken im Boden eingegraben, darauf wartete, herausgebrochen zu werden. In Augenblicken wie diesen malte er sich das oft aus.
Er schreckte aus seinen Gedanken, als sein Bruder mit scharfer Stimme rief: »Mr. Bolitho! Mehr Leute ans Großsegel! Das wird harte Arbeit!«
Gloag schlug seine riesigen Hände zusammen wie Bretter. »Wind hat einen Strich geschralt, Sir!« Er grinste in den peitschenden Gischt, von seinem Gesicht strömte das Wasser. »Soll uns nur recht sein.«
Bolitho kletterte über ungewohnte Geschü tztaljen und dickes Tauwerk, vorbei an ihm fremden Seeleuten und Unteroffizieren, bis er ganz vorn am Steven war. Er sah die gespannte Ankertrosse, die durch die Klüse hereinpolterte, als sich jetzt mehr Leute in die Handspaken legten. Auf beiden Seiten des Vorderstevens schäumte der Gezeitenstrom vorbei, als sei die Avenge r schon in voller Fahrt.
Der Bootsmann kam nach vorn und
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