Strandwoelfe
und das ständige Donnern der prallen Segel übertönte sogar das Toben der See. Das Kreischen der Blöcke, wenn das aufgequollene Tauwerk durchgeholt wurde, das Stampfen der Füße an Deck, ein gelegentlicher Kommandoruf vom Achterdeck, alles zusammen vereinigte sich zu einem gewaltigen Chor der Anstrengung.
Selbst der jugendliche Kommandant des Kutters mußte schließlich zugeben: zuviel war zuviel. Zögernd und widerstrebend befahl er, Toppsegel und Klüver für den Rest der Nacht zu bergen.
Schließlich kroch die Freiwache keuchend und zerschunden zu einer kurzen Atempause unter Deck. Manch einer von ihnen schwor, er werde nie wieder den Fuß an Bord setzen, sobald sie erst im Hafen waren. Doch das schworen sie immer. Und gewöhnlich kamen sie dann doch wieder zurück.
Andere waren zu erschöpft, um überhaupt noch denken zu können, und ließen sich in ihrem Logis einfach fallen. Dort lagen sie dann inmitten des im Brackwasser hin und her schwappenden Gemisches aus nassen Kleidungsstücken und losem Tauwerk, bis der nächste Ruf ertönte: »Alle Mann an Deck zum Segelbergen!« Darauf brauchten sie nie lange zu warten.
Als Bolitho endlich in seiner Behelfskoje lag, hin und wieder hochgeschleudert vom wilden Stampfen des Schiffes, dachte er daran, wie sich der Urlaub wohl gestaltet hätte, wenn er Dancers Einladung nach London gefolgt wäre.
Ein Lächeln spielte um seine Lippen, bevor er in tiefen Schlaf fiel. Das wäre ein Unterschied wie Tag und Nacht gewesen.
Kein e ander e Wahl
Leutnant Hugh Bolitho saß festgekeilt in einer Ecke der niedrigen Kabine, einen Fuß gegen ein Spant gestemmt, um sich zu halten. Die Avenge r lief rollend und stampfend, mit Geklapper und Geknarre durch einen dichten Vorhang aus Hagel und Schnee vor dem Wind nach Süden.
Die beiden Fähnriche, Master Gloag und Pyke, der verschlagen blickende Bootsmann, vervollständigten die Versammlung. Die Luft in dem engen Raum war schwer von Dunst, Feuchtigkeit und dem scharfen Geruch nach Brandy.
Bolitho glaubte vergessen zu haben, wie sich ein trockener Faden auf dem Leib anfühlte. Zwei Tage und Nächte lang, während die Avenge r an der Küste Cornwalls entlanggekreuzt war, hatte er kein einziges Mal mehr als ein paar Minuten geschlafen. Hugh schien niemals zu ruhen. Er rief ständig zu besonderer Wachsamkeit auf, obgleich nur ein Verrückter bei diesem Wetter unterwegs sein konnte. Jetzt, nachdem sie das gefürchtete Kap Lizard mit seinem Kranz gefährlicher Riffe gerundet hatten, lagen sie in Lee der Küste beigedreht. Obgleich es stockdunkel und kein Land in Sicht war, spürten sie dessen Nähe, empfanden das Land nicht als Freund, sondern als tückischen Feind, der darauf wartete, ihnen den Kiel herauszureißen, wenn sie auch nur einen einzigen Fehler machten.
Bolitho war beeindruckt von seines Bruders äußerlicher Ruhe, der Art und Weise, wie er seine Pläne ohne das geringste Anzeichen von Unsicherheit formulierte. Er stellte fest, daß Gloag dem Urteil seines Kommandanten völlig vertraute, obwohl er doch alt genug war, um dessen Vater zu sein.
Hugh sagte jetzt: »Ich hatte beabsichtigt, einen Landungstrupp auszubooten oder selbst an Land zu gehen, um diesen Informanten zu treffen. Das Wetter hat mir aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ein Boot würde schwerlich die verabredete Stelle finden, und damit entfiele das Überraschungsmoment.«
Bolitho blickte Dancer an, ob dieser wohl ebenso befremdet war wie er selbst. Informanten, heimliches Rendezvous im Dunkeln, es war eine völlig andere Marine, als sie beide kannten.
Pyke warf abrupt dazwischen: »Ich kenne das Terrain gut, Sir. Es ist die Bucht, wo Morgan erledigt wurde. Wie geschaffen für das Anlanden von Schmuggelware.«
Hughs Blick blieb neugierig an Pyke haften. »Glauben Sie, daß Sie sich mit dem Kerl treffen könnten? Schließlich hätte die Warterei hier keinen Zweck, wenn die Vögel ausgeflogen wären. Eben das soll er uns verraten.«
Pyke spreizte die Hände. »Ich kann es versuchen, Sir.«
»Versuche n reicht nicht, verdammt!«
Bolitho beobachtete Hugh. Wieder ging sein Temperament mit ihm durch, und er sah die beinahe physische Anstrengung, die es ihn kostete, sich zu zügeln.
Ruhiger fügte er hinzu: »Sie wissen, was ich meine?«
»Aye, Sir. Wenn wir an Land kommen, ohne das Boot leckzuschlagen, erreichen wir auch seine Hütte.«
Hugh nickte lebhaft. »Gut. Dann rudern Sie so schnell wie möglich mit dem Landetrupp hinüber, finden Sie
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