Strandwoelfe
genug von diesem Ort.«
Der Schneeregen umwirbelte sie in dichten Flocken wie zur Begrüßung, und als Bolitho noch einmal zurückblickte, war die Hütte bereits in dem weißen Gestöber verschwunden.
»Hier können wir genausogut warten wie woanders.« Pyke rieb sich die Hände und hauchte sie an. Es war das erste Zeichen von Unbehagen, das er sich anmerken ließ.
Bolitho fühlte, wie seine Füße in Schneematsch und halbgefrorenem Gras einsanken, und bemühte sich, nicht an Mrs, Tremaynes heiße Suppe oder an ihren köstlichen Schlummerpunsch zu denken. Zwei Stunden lang hatten sie sich jetzt in der grimmigen Kälte einen Weg über die Klippen erkämpft, ständig vom eisigen Wind bedroht, der sie ins Dunkel hinabschleudern wollte, und völlig auf Pykes Führung angewiesen.
Dieser sagte unvermittelt: »Dort unten liegt die Buc ht. Nichts Besonderes, aber gut geschützt. Ein paar große Felsbrocken versperren den Zugang für alle, bis auf die Neugierigsten. Bei Niedrigwasser ist der Strand fest und stark abfallend.« Er nickte nachdrücklich. »Dann werden sie kommen. Oder in der nächsten Nacht.«
Einer der Seeleute seufzte, und der Bootsmann knurrte böse: »Was hast du denn erwartet – ‘ne warme Hängematte und ein großes Bier?«
Bolitho nahm sich zusammen, um nicht ebenfalls zu klagen, und setzte sich auf einen Erdhügel. Zu beiden Seiten lagerte sich die kleine Gruppe der Seeleute, sieben an der Zahl, so gut es ging. Drei weitere waren irgendwo hinter ihnen bei der Jolle. Keine große Streitmacht, wenn es zum Kampf kommen sollte. Andererseits waren sie alle Berufsseeleute, hart, diszipliniert und kampfbereit.
Pyke zog eine Flasche aus der Rocktasche und reichte sie Bolitho. »Brandy.« Er schüttelte sich vor lautlosem Lachen.
»Den hat Ihr Bruder vor einiger Zeit einem Schmuggler abgenommen.«
Bolitho trank einen tüchtigen Schluck aus der Flasche. Es brannte wie Feuer und verschlug ihm fast den Atem, war aber im Augenblick gerade das Richtige.
Pyke sagte: »Reichen Sie sie ruhig weiter, wir müssen hier ziemlich lange warten.«
Bolitho hörte, wie die Flasche von Hand zu Hand ging und das beifällige Grunzen der Leute nach jedem Schluck.
Doch alles Unbehagen war sofort vergessen, als jemand plötzlich ausrief: »Ich habe einen Schuß gehört!«
Pyke ergriff die Flasche und steckte sie wieder in seine Rocktasche. »Aye! Ein kleines Kaliber.« Besorgt starrte e r in die Dunkelheit. »Kam von einem Schiff irgendwo dort draußen. Muß in Seenot sein.«
Bolitho fröstelte es noch mehr. Diese Küste war geradezu übersät mit Wracks: Schiffe aus der Karibik, aus dem Mittelmeer, von überall her. Unzählige Seemeilen hatten sie hinter sich gebracht, und dann, auf dem letzten Teil der Reise, vor Cornwall… Felsen, die ihnen den Kiel herausrissen, von Brandung umtobte, scharfe Klippen, die auch dem ausdauerndsten Schwimmer die Rettung verwehrten.
Und jetzt, nach allem, was er gehört hatte, auch noch Strandräuber, diese Mordgesellen!
Vielleicht hatten sie sich getäuscht? Aber noch während er in diesem Gedanken Trost suchte, ertönte ein zweiter Knall von der offenen See her, und das Echo brach sich an den Felsen ringsum. Ein Seemann f lüsterte aufgeregt: »Hat sich höchstwahrscheinlich verirrt, den Lizard mit Land’s End verwechselt. Ist schon öfter vorgekommen, Sir.«
Pyke grunzte: »Arme Teufel.«
»Was machen wir?« Bolitho versuchte, in Pykes Gesicht zu lesen. »Wir kö nnen sie doch nicht ihrem Schicksal überlassen!«
»Ist noch nicht gesagt, daß sie auf Grund geraten werden, und wenn, ob sie sinken. Vielleicht setzen sie sich bei Porthieven auf oder treiben wieder frei.«
Bolitho wandte sich ab. Pyke war es wohl völlig gleichgültig, er hatte nur Interesse an seiner Aufgabe, möglichst rasch das Schmuggelgut zu finden und zu bergen.
Er malte sich das unbekannte Schiff aus. Möglicherweise hatte es Passagiere, vielleicht kannte er sogar einige von ihnen… Er stand auf. »Gehen wi r auf die andere Seite der Bucht, Mr. Pyke. Wir können genausogut auf der Landspitze gegenüber warten. Wahrscheinlich kommt das Schiff bald in Sicht.«
Pyke sprang auf. »Das ist zwecklos, sage ich Ihnen!« Er schien außer sich vor Ärger. »Was passieren soll, passiert. Der Captain hat uns klare Befehle gegeben, wir müssen ihm gehorchen!« Bolitho fühlte, daß alle ihn ansahen.
»Robins, gehen Sie zum Boot und sagen Sie den Leuten dort, was wir vorhaben. Finden Sie hin?«
Robins hätte nur zu
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