Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)
der Wind zurück, der mir meine wirren Locken ins Gesicht blies und Schnee gegen meine Wangen peitschte, wo die weißen Flocken kleben blieben. Ich ging um die Kühlerhaube herum, ohne durch die Windschutzscheibe zu sehen. Dort hätte ich höchstens erkannt, dass Graves sehr blass und verängstigt war, und das brauchte ich jetzt nicht.
Ich hatte schon genug Angst für uns beide.
Drei Stufen führten zur Tür hinauf. Rechts und links standen große Betonkübel, wie man sie für Pflanzen benutzte, die jetzt aber mit Schneemützen versehen waren.
Hier wächst überhaupt nichts. Alles betoniert. Ich fröstelte. Es war nicht so kalt, wie man hätte meinen können, aber der Schnee kitzelte mich mit kleinen nassen Fingern, hängte sich in meine Wimpern und durchweichte meine Turnschuhe.
Als ich eine Hand um den Knauf legte, der sich problemlos drehen ließ, hörte ich einen leisen unbeteiligten Laut – das Huh-huh einer Eule?
Ich sah mich um, doch Grans Eule war nirgends zu entdecken. Da war der Schrei wieder, diesmal erstickter. Der Truckmotor lief leise und gleichmäßig. Lautlos öffnete ich die Tür, und Schnee blies an mir vorbei hinein.
Drinnen stand ich zunächst in einer Diele, die mit kleinen Holzstäben ausgelegt und auf Hochglanz gewachst war. Bibbernd verharrte ich dort und blickte auf eine Treppe, die nach oben führte, und einen Kronleuchter, von dem warmes wächsernes Licht herunterstrahlte. Meine Waffe hing schwer in meiner Hand, der Lauf auf den Boden gerichtet. Ich entsicherte und wünschte mir nichts dringlicher, als dass Dad hier wäre.
Woher weißt du, dass er es nicht war?, fragte eine dünne Stimme in meinem Hinterkopf, der eiskalte Furcht folgte und mir eklig über den Rücken rann.
Ich weiß es, antwortete ich der entsetzlichen Stimme. Ich habe gesehen, wo er starb, glaube ich. Er ließ den Truck draußen, und er ging einen Korridor in einem verlassenen Lagerhaus entlang. Und jemand wartete auf ihn.
Die Lichter brannten, aber es war kalt in dem Haus. Kalt wie in einer Krypta. Ich ging zwei Schritte weiter in die Diele, sah einen Flur, und das Licht veränderte sich kaum merklich.
Erschrocken drehte ich mich um. Die Tür glitt zu, und das Klicken, mit dem sie einrastete, war dasselbe Geräusch wie das beim Entsichern einer Waffe. Rostgeschmack floss mir über die Zunge, dann der süßlich-faulige Geruch von schimmelnden Orangen, die pelzig und tropfend in einer feuchten Ecke verrotteten. Das Klingeln wurde schlimmer und füllte meinen Kopf mit Watte.
Etwas schimmerte auf dem Boden, flackerte vorbei an einem finsteren Quadrat, das ich zunächst gar nicht richtig erkennen konnte.
Oh, Scheiße! Meine Turnschuhe quatschten bei jedem Schritt. Dünne Dampffäden stiegen in der Kälte von meiner Haut auf, und mein Atem formte Wolken, die bei jedem Einatmen gleich wieder verschwanden. Ich bewegte mich wie im Traum, als wäre es letzte Nacht, denn abermals wurde ich von einer unsichtbaren Kraft weitergezogen. Es tat weh, mich nach der vertrauten schwarzen Brieftasche zu bücken.
Sie wölbte sich um einen ganzen Stapel Geldscheine. Ich klappte die Brieftasche auf, sah Dads Ausweis und ihn, der drohend in die Kamera sah, damit sie ja nicht wagte, ein verhunztes Bild von ihm zu knipsen. Das Foto von Mom war weg, aber die Stelle, an der mein Daumen das Plastik blankgerieben hatte, war noch da – wie ein alter Freund. Ich richtete mich auf, steckte automatisch die Brieftasche ein und musste weitergehen, wobei ich auf das flackernde Ding blickte, das geduldig auf dem polierten Parkett wartete.
Es war Silber, und als ich meine schmerzenden Knie beugte, um es genauer anzusehen, begriff mein Körper vor meinem Verstand, was es war, denn ich bekam prompt eine Gänsehaut an den Armen und am Rücken.
Das Silbermedaillon war fast so lang wie mein Daumen. Die geschweiften Gravuren auf der Vorderseite kannte ich länger als meinen eigenen Namen, ebenso wie die nun gerissene Silberkette, denn ich hatte beides mein Leben lang gesehen. Die Gravur stellte ein Herz mit einem Kreuz darin dar, und auf der Rückseite waren kleine fremdartige Symbole eingraviert, die unmittelbar auf der Haut auflagen, wenn man die Kette trug.
Ich berührte das Medaillon mit dem Zeigefinger. Der wolkige Atem, den ich aushauchte, endete mit einem Laut, als hätte mir jemand in die Magengrube geschlagen. Eilig schloss ich meine Hand um das Silber und stellte mich aufrecht hin. Zur Abwechslung hatte ich einmal keine Tränen in den
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