Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
Takt an – vor, zurück, vor, zurück –, und Christophe summte die Titel mit, die der Classic-Rock-Sender spielte. Er fuhr exakt Höchstgeschwindigkeit, nicht einmal ein Haarbreit darüber oder darunter. Shanks atmete leise und regelmäßig, die Augen fest geschlossen und den Mund ein wenig geöffnet. Graves starrte immer noch aus dem Fenster. Dibs hingegen ruckte ab und zu auf, verhielt sich ansonsten aber vollkommen still.
Mit anderen Worten: Es herrschte eine merkwürdige Atmosphäre.
Christophe blieb auf den weniger belebten Straßen, ohne ein einziges Mal auf eine Karte zu sehen. Wäre Dad am Steuer gewesen, hätte ich ihn geführt. Stattdessen saß ich nutzlos auf meinem Platz, umklammerte meine Tasche und blickte in die nasse Landschaft hinaus.
Kahle Bäume drängten sich dicht an die Straße und griffen mit ihren nackten Armen ins Leere. Wasser glitzerte auf dem Asphalt und machte das Rollgeräusch der Reifen heller, und Christophe drehte immer wieder das Radio ein bisschen lauter, wenn Musik kam, und leiser in den Werbepausen.
Mittags hielten wir in einem kleinen Ort am anderen Ende des Bezirks, vor einer ziemlich heruntergekommenen Pizzeria. Die drei von der Rückbank liefen geradewegs zu den Toiletten, nachdem wir einen Tisch zugewiesen bekommen hatten, so dass ich die Papiere aus meiner Tasche angeln konnte, als Christophe mir bedeutete, mich auf eine der roten Vinylbänke zu setzen.
»Es sei denn, du willst auch nach hinten verschwinden, Kochana. « Er fuhr sich mit einer Hand durch das Haar und schüttelte die wenigen Regentropfen ab.
»Ich muss mit dir reden«, erwiderte ich, setzte mich und reichte ihm die Blätter. Während Christophe mich fragend ansah, sprudelte es aus mir heraus. »Dylan hat mir das gegeben, kurz bevor alles … na ja, es ist wichtig. Als Anna mir die Mitschrift zeigte, wollte sie, dass ich dich für den Anrufer halte. Und es war eine überarbeitete Version.« Leider hatte ich den Eindruck, ich würde total wirr reden. »Sie wollte natürlich auch herausfinden, wie viel ich weiß. Dylan behauptet, das hier sei die Originalversion von dem Anruf. Als jemand sagte, wo meine Mutter ist.«
Christophe sank langsam neben mich und überflog den Text. Seine Mundwinkel zogen sich nach unten. »Das hat er dir gegeben?« Einen Moment lang war mir, als könnte ich sein wahres Alter sehen, was in seinem faltenfreien Gesicht unheimlich wirkte.
»Ja, als er mir sagte, dass ich mich beim nächsten Alarm verstecken sollte.« Was für eine Erleichterung, es jemandem zu erzählen, wenigstens ein Geheimnis loszuwerden! »Und das war nur gut, denn sonst hätten die mich in meinem Zimmer erwischt.«
»Die?« Seine Gabe floss über ihn hinweg, machte sein Haar glatter und dunkler, und seine Reißzähne lugten hervor. Er holte tief Luft, und sie zogen sich wieder zurück. Fasziniert betrachtete ich sein Profil.
»Ja, also, die Glocke zur ersten Stunde läutete, und dann, kurz darauf, ging der Alarm los. Ich versteckte mich in einer Kammer und hörte, wie sie vorbeiliefen. Das müssen Nosferatu gewesen sein.« Das Wort fühlte sich seltsam auf meiner Zunge an. Sogar jetzt noch log ich halb, wahrte ein Geheimnis.
»Warst du auf dem Weg in den Unterricht wie ein braves Mädchen?«
Nein, ich wollte in die Berge. Ist das nicht völlig egal? »Ich war nicht in meinem Zimmer. Da drinnen fühlte es sich an wie in einem Grab.«
Das Papier raschelte ein wenig, denn Christophes Hand zitterte. »Anna«, raunte er nachdenklich und als haftete dem Namen ein fieser Beigeschmack an. Er faltete die Blätter wieder zusammen und gab sie mir. »Hmm.«
»Sie hat gesagt, du …« Ich schluckte, weil mein Hals zu trocken war. »Sie hat gesagt, du warst der Anrufer. Ich glaube, sie wollte nicht, dass ich dir vertraue.«
Christophe wurde merklich steifer, und abermals lugten seine Reißzähne hervor. »Ich würde niemals … «, begann er.
Doch ich unterbrach ihn rasch, zumal ich merkte, dass ich wieder rot zu werden drohte. »Ich habe dir schon gesagt, dass ich ihr nicht glaube. Sie wollte das, und sie wollte herauskriegen, was ich weiß, ob ich irgendeinen Verdacht hege oder dich gesehen hatte.«
Jede Andeutung von Zorn wich aus seinen Zügen. Es hatte fast etwas Gespenstisches, wie seine Wangen sich glätteten und die blonden Strähnen zurückkehrten. »Aha. Milady steckt mal wieder ihre Nase in Dinge.«
Dasselbe hat Dylan gesagt. »Ich will wissen, was los ist.«
Er öffnete den Mund, doch Dibs
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