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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sie so rebellisch erlebt. »Ich rede mit Diego. Er hört auf mich. Du wirst schon sehen.«
    Es ging mir sehr schlecht. Der Husten wurde stärker, und es gab ein neues, rasselndes Geräusch in meinem Brustkorb, das mich beunruhigte. Fieber überfiel mich, aber es war nicht die Hitze des Typhus, sondern ein scharfes Brennen, das mich innerlich zu verglühen schien. Außerdem fehlte die Ohnmacht, die mich in ein gnädiges Traumreich führte. Zitternd, aber hellwach, lag ich in meinem eigenen Schweiß und betete um unser Leben.
    Sancha schien sich durchgesetzt zu haben.
    Irgendwann fielen Roger und Diego in mein Verlies ein, erdverkrustet, schmutzig wie Grubenarbeiter. Wortlos hoben sie mich hoch und trugen mich hinauf in mein Zimmer.
    Trotz meiner Schwäche umspielte ein Lächeln meinen Mund. Ich war für diesen Moment gerüstet. Meine Aufzeichnungen hatte ich mir unter dem Kleid an den Leib gebunden. Und in einem Ledersäckchen zwischen meinen Brüsten ruhte Oswalds Ring.
    *
    Langsam kam ich wieder zu Kräf t en, nach wie vor die Gefangene meines Bruders. Den Ring mit dem grünen Stein hatte ich noch sicherer versteckt, ebenso wie meine Aufzeichnungen, die ich nur spät in der Nacht hervorholte, um sie weiterzuführen. Natürlich tat ich es vor allem für mich, aber das war inzwischen nicht mehr der einzige Grund. Vielleicht würden sie für dieses kleine Wesen, das meinen Bauch nun fast zu sprengen schien und das ich jetzt schon zärtlich liebte, einmal von Bedeutung sein.
    Dank Tariq war ich über alles im Haus informiert, auch über Diegos wachsende Gereiztheit. Seine Geschäfte lagen brach; der Goldschatz ruhte ungehoben in seinem Versteck. Ihn anzutasten wagte er nicht mehr, aus Angst, die Schwarzkutten damit unnötig auf sich aufmerksam zu machen. Zudem konnte er sich mit Roger nicht über das weitere Vorgehen einigen. Mein Bruder plädierte für Flucht; der Franzose, der am eigenen Leib erfahren hatte, was es hieß, alles hinter sich zu lassen, war dafür, auszuharren, bis die Gefahr vorüber war.
    Diegos ungezügelte Wut entlud sich schließlich auf mich.
    »Das alles haben wir dir zu verdanken«, knurrte er, als ich eines Abends überraschenderweise - und vielleicht nur aus diesem Anlass - mit ihnen essen durf t e. »Und diesem Dämon, der in dir wuchert. Wie konnte ich nur auf dich hören? Ohne deine aberwitzige Idee wären wir schon längst in Sicherheit. Stattdessen sitzen wir wie Ratten in der Falle.«
    »Immerhin leben wir.« Ich war mir des Doppelsinns meiner Worte wohl bewusst. »Und es sieht aus, als hätten die Schwarzkutten uns vergessen.«
    »Mach dir nichts vor«, sagte Roger, den die Fronarbeit im Stollen täglich mehr zu verbittern schien. »Wir haben sie gereizt. Sie werden sich rächen. Spätestens, wenn wir klein beigeben und die Fahne einholen. Vielleicht auch schon früher.«
    Doch nichts geschah.
    Der Januar verging, klirrend kalt, und der Februar begann kaum minder frostig. Während das Licht langsam zurückkehrte, spürte ich, wie sich das Gewicht des Kindes tiefer senkte. Der zunehmende Druck seines Kopfes machte mir Angst. Da ich niemanden um Rat fragen konnte, hielt ich es für angebracht, noch vorsichtiger zu sein. Halte durch, bat ich es stumm. Nur noch ein Weilchen. Ich kann es nicht abwarten, dich endlich zu sehen, in deinem kleinen Gesicht nach seinen Zügen zu suchen. Du musst leben, mein Kind!
    Dann schlugen die Dominikaner zu, nur wenige Häuser entfernt, sodass wir es schnell erfuhren. Carlos, ein Silberschmied, und seine Frau Maria, Reine seit vielen Jahren, waren ihnen ins Netz gegangen. Beide waren alles andere als Schwätzer, aber würden sie auch unter der Folter so schweigsam bleiben?
    Wir waren zur Untätigkeit verdammt. Dieses Mal gab es keine Möglichkeit, ihre Qualen und damit die Gefahr für unser Leben durch Bestechungsgold zu verringern. Bang warteten wir auf neue Nachrichten, aber über León, sonst eine Stadt mit tausend Ohren, schien der Mantel des Schweigens gebreitet.
    Währenddessen wuchs die Spannung zwischen Diego und Roger; Sancha versuchte vergeblich, mäßigend auf sie einzuwirken. Eines Abends schließlich gingen sie sich gegenseitig an die Gurgel. Die angestaute Wut und Ratlosigkeit der letzten Wochen brach sich in ihrem stummen Kampf Bahn, und nur Rena, die Hündin, die sie wild bellend umkreiste, brachte sie schließlich wieder zur Vernunft. Wie zwei angeschlagene Ritter ließen sie schwer atmend voneinander ab, bevor Schlimmeres geschehen

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