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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Fallbeil. »Er weiß Bescheid. Nicht über die Schwangerschaft, will ich vermuten, denn die hattest du ja sogar mir verschwiegen. Aber dass dein Bruder dich gefangen hält. Er schien bestürzt, aber doch erstaunlich gefasst.«
    »Du hast mit ihm gesprochen? Was hat er gesagt?«
    »Nur ein paar Worte. Der Großmeister hat sehr zur Eile gedrängt. Es scheint, dass sie sich jetzt doch dem Heer der Kreuzritter anschließen. Es war ein Abschied, Blanca. Vergiss ihn. Für immer!«
    Ich sackte in mich zusammen. Der schwärzeste meiner Albträume war wahr geworden. Mein Liebster verließ mich, um das Kreuz zu nehmen. Ich hatte ihn an Gott verloren. Niemals würde er unser Kind sehen.
    »Das ist das Ende«, murmelte ich. »Wozu noch leben, wenn ...«
    »Unsinn!« Sie rüttelte mich heftig. »Vergiss deinen treulosen Mönch, vergiss Diego und diese Reinen, die dir nichts als Unglück gebracht haben. Du musst jetzt an dein Kind denken. Heinrich ist deine letzte Chance ...«
    »Welcher Heinrich?«, fragte ich abwesend.
    »Heinrich Weltenpurger. Dein zukünftiger Ehemann.«
    *
    »Diegoblanca. Blancadiego ... «
    Da war er wieder, jener Singsang unserer Kinderjahre, mit dem wir uns gegenseitig immer geneckt hatten. Ich schlug die Augen auf, aber es war so dunkel, dass ich nur Schemen erkennen konnte.
    »Diego Blanca, komm! Es ist alles bereit!«
    Er streckte mir seine Hand entgegen und zog mich hoch. Diego war in nachtblaues Tuch gewandet. So prächtig ausstaffiert hatte ich ihn lange nicht mehr gesehen.
    »Was ist los?«, fragte ich, während er mich in das nächste Zimmer zog. »Was hast du vor?«
    »Das wirst du gleich sehen.«
    Aus einer Holzwanne stiegen Dampfwolken auf. Ein heißes Bad, mitten im Winter! Monatelang hatte ich diese Labsal nicht mehr genossen.
    »Zieh dich aus!«, flüsterte er, während seine Hände an meinem Hemd zerrten. »Das ist nur der Beginn.«
    Ich wehrte mich, obwohl der Duft wilder Rosen, der dem Wasser entströmte, verlockend war.
    »Ich will nicht baden!«, sagte ich.
    »Doch, du willst, kleine Blanca. Und ob du willst...«
    Ich sah ihm an, dass jeder Widerstand zwecklos war. Von Tariq nirgendwo eine Spur. Allerdings wusste ich, dass er sich nahezu unsichtbar machen konnte. Und wo steckte Sancha?
    »Also gut«, sagte ich schließlich. »Aber mein Hemd behalte ich an.«
    Das warme Wasser löste die Verkrampfung in meinen Beinen und machte meinen Rücken wieder weich. Sogar der Ballon, den ich vor mir hertrug, schien auf einmal schwerelos. Ich schloss die Augen, als ich plötzlich Diegos Hände an meinem Nacken spürte.
    Was hatte er vor? Wollte er mich erwürgen?
    Er schien zu spüren, dass ich angstvoll erstarrt war, und lachte leise.
    »Diese Hände haben dich einst im Leben begrüßt«, sagte er. »Sie könnten dich ebenso gut ...« Abrupt entfernte er sich. »Dort drüben sind Tücher zum Abtrocknen. Zieh das gelbe Kleid an.«
    Mehr schlecht als recht zwängte ich mich hinein. Die Bänder ließen sich nicht mehr schließen, und am Rücken klaffte es mehr als eine Handbreit auseinander. Mir blieb nichts anderes übrig, als es irgendwie zurechtzuzerren. Ich bürstete mein Haar und warf zum ersten Mal seit Wochen wieder einen Blick in den kleinen polierten Silberspiegel. Meine Augen glänzten, die Lippen waren voller als sonst. Ich sah aus wie eine Braut.
    Welchen Plan verfolgte mein Bruder mit mir?
    Durch die Ritzen drangen neue, verlockende Düfte. Ich riss die Tür beinahe auf, so ausgehungert war ich auf einmal. Eine reich gedeckte Tafel erwartete mich, und ich entdeckte Leckereien, die ich jahrelang nicht mehr gegessen hatte: Schweinelenden in Rotwein, gefüllte Wachteln, Entenbraten, Forellen in Mandelsauce. Er hatte nicht einmal mein Lieblingsgericht vergessen: Kaninchenpastete, von einem knusprigen Teig umschlossen.
    Ich vergaß alle Manieren und stürzte mich auf das Essen. Auch Diego langte zu, allerdings deutlich verhaltener. Er lächelte, als ich schließlich noch meine Finger ableckte.
    »Halt dir noch ein Plätzchen für die Mandeltorte frei«, sagte er.
    »Ich kann nicht mehr!«, stöhnte ich. »Noch ein Bissen und ich platze.«
    »Dann komm mit!«
    Nebenan lag sein Schlafzimmer. Ich zögerte, den Raum zu betreten. Mein Argwohn war aufs Neue erwacht. Der Raum war kühl und karg wie eine Mönchszelle. Nur auf der schönen Holztruhe, die einmal meiner Mutter gehört hatte, standen zwei Kerzen und eine Glaskaraffe, halb mit dunklem Wein gefüllt.
    Den Dolch sah ich erst, als ich ganz

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