Strasse der Sterne
dicht belaubten Zweige fuhr. Ihretwegen hätte Walli an diesem Morgen ruhig weiter und immer weiter traben können, aber irgendwann brachte Tariq die Stute zum Stehen.
»Dort drüben auf dem Hügel ist die Burg«, sagte Camino. »Wir haben Sarria erreicht.«
Tariq und die Frauen warteten in einem Wirtshaus, während Armando und er zum Pferdekauf aufbrachen. Schon bald kamen sie mit einem kräftigen Wallach zurück, der aussah, als könne er viele Meilen am Tag zurücklegen, ohne zu ermüden.
»Er ist gefüttert und frisch getränkt«, sagte Camino. »Deinem Aufbruch, junger Freund, steht nichts mehr im Wege. Ein paar Tage, und du wirst die Templerburg erreicht haben. Vergiss nicht, was du dir vorgenommen hast. Mein eigenes
Beispiel sollte dich gelehrt haben, was geschehen kann, wenn man die falsche Entscheidung trifft.«
»Amando«, sagte Pilar, »ich möchte dir ...«
»Du hast mich eben Amando genannt.« Er klang aufgeregt. »Das hat bislang nur ein einziger Mensch getan.« Er zögerte. Keine Geheimnisse mehr vor Pilar! Das hatte er sich vorgenommen. »Eine kluge Nonne«, fuhr er fort, »der ich vieles zu verdanken habe.«
»Ich will dir den Ring geben. Caminos Ring. Blancas Ring. Vaters Ring, der jetzt der meine ist. Und den Stein. Als eine Art Pfand, wenn du so willst. Bring beides mit, wenn du zurückkommst - falls du jemals zurückkommst ...« Ihre Stimme drohte zu kippen.
»Ich danke dir für dein Vertrauen, Pilar. Du wirst es nicht bereuen.«
Armando wollte beides einstecken, Camino aber hielt ihn zurück.
»Einen Augenblick noch,« sagte er. »Ich wüsste eine bessere Lösung. Bitte, überlass mir den Ring und den Stein, Armando.«
»Hast du um Erlaubnis gefragt, bevor du Blanca den Ring deines Vaters geschenkt hast?« Pilars Stimme war ungewöhnlich scharf.
»Nein«, sagte Camino. »Das habe ich nicht. Aber ich bitte dich dennoch, mir zuzuhören. Jetzt besteht der Ring aus zwei Teilen, seiner einstigen Schönheit beraubt. Ich werde dafür sorgen, dass er prachtvoller wird als je zuvor. Vertrau mir, Pilar. Bitte!«
»Also gut«, sagte sie schließlich. »Ich vertraue dir.«
Armando trat zu Pilar.
»Ich spüre deinen Ring auch so an meinem Finger«, sagte er. »Denn dein Bild wohnt in meinem Herzen auf ewig.«
Für einen Moment verschlangen sich ihre Hände, als wollten sie einander nie wieder loslassen. Dann spürte sie die zarte Bewegung seiner Finger und öffnete ihre Hand.
»Santiago sei mit dir!«, sagte sie bewegt. »Komm gesund wieder!«
*
Samos, Juli 1246
Der hölzerne Getreidespeicher ruhte auf steinernen Säulen. Wolkenlos spannte sich darüber ein rötlicher Abendhimmel. Der Horizont war dunstig. Auch morgen versprach es ein schöner, trockener Tag zu werden.
»Sie nennen ihre Speicher hier Horreos. Der Bauer behauptet, es gäbe keinen besseren Schutz gegen Mäuse«, sagte Camino zu Pilar, während er frisches Stroh für sie aufschüttete.
Nachdem er ihr eine gute Nacht gewünscht hatte, fragte sie: »Meinst du, er kommt zurück?«
»Ich glaube fest daran«, sagte Camino. »Und das solltest du auch.«
»Aber meine Mutter hat es auch getan«, sagte Pilar. »Sie glaubte an dich. Und hat dich doch verloren.«
»Ich weiß, Pilar. Ich hätte bei ihr bleiben müssen. Nichts hätte mich davon abhalten dürfen, auch nicht der Gehorsam, den ich meinem Orden geschworen hatte. Seit ich das Vermächtnis kenne, sind meine Selbstvorwürfe schlimmer denn je. Aber es ist geschehen. Und keiner von uns kann mehr etwas daran ändern.«
»Jetzt bist du mein Vater«, sagte sie leise. »Und dabei habe ich mein ganzes Leben Papa geliebt.«
»Das sollst du auch weiterhin«, sagte Camino. »Heinrich hat mir gefallen, wenngleich ich nicht mehr als ein paar Worte mit ihm gewechselt habe. Consuelo hatte es raffiniert eingefädelt, als sie uns beide an einen Tisch setzte, ohne dass einer vom anderen wusste, wer er war. Es hat ihr bestimmt Spaß gemacht. Sie liebte es, die Fäden im Hintergrund zu ziehen.«
»Liebst du Moira, Camino?« Sie konnte ihn nicht Papa nennen - dieses Wort war und blieb Heinrich vorbehalten.
»Wenn ich es weiß, werde ich es dir sagen.«
Er küsste sie auf die Stirn und trat hinaus.
Die Luft roch nach Sommer, ein sanfter Ostwind blies und beugte die Zweige. Es war beinahe dunkel. Der Mond hoch über ihnen hatte abgenommen. Moira saß an einen Baum gelehnt; sie schien in Gedanken versunken.
»Komm!« Er streckte seine Hand nach ihr aus. »Lass uns ein
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