Strasse der Sterne
anzuvertrauen, und zu meinem eigenen Erstaunen willigte ich ein. Es dauerte nicht lange und Heinrich brachte ihn mir wieder. Jetzt zierte ihn ein großer blauer Stein mit goldenen Einsprengseln.
»Ein Labradorit«, wie er mir stolz erklärte. »Der Stein der Wahrheit.«
Er wog schwerer an meiner Hand als sein Vorgänger. Jeden Augenblick erinnerte er mich daran, was ich verloren hatte.
Roger war tot; von seiner Tochter Angelita fehlte jede Spur. Diego befand sich noch immer in der Gewalt der Schwarzkutten. Sie hatten weitere Reine festgenommen, beinahe ein Dutzend. Niemand wusste, ob wir einen von ihnen jemals wieder sehen würden. Sancha und Carmela schienen in Sicherheit, und ich war offenbar so gut versteckt, dass ich bislang unbehelligt geblieben war. »Ein Kloster ist der sicherste aller Orte.« Consuelo hatte Recht gehabt. »Im Meer verliert sich der einzelne Tropfen. Dort wird keiner dich suchen.«
Über Renata, die jetzt Esther hieß, gab es keine neuen Nachrichten, aber ich war mir sicher, dass sie im jüdischen Viertel in Liebe gedieh.
Als Heinrich mich schließlich fragte, ob ich ihn heiraten wollte, lächelte ich zum erstenmal seit jener Nacht.
»Du hättest eine andere Frau verdient«, sagte ich. »Ich habe zu viele Geheimnisse. Irgendwann wirst du dich daran stören.«
»Aber ich will dich. Nur dich.«
»Ich liebe dich nicht, Heinrich. Das weißt du. Und ich glaube nicht an deinen Gott.«
Für einen Moment schien er um seine Fassung zu ringen.
»Du wirst es lernen«, sagte er dann. »Und was du glaubst, ist deine eigene Angelegenheit. Außerdem wirst du gern mit mir leben. Regensburg ist eine schöne, reiche Stadt. Du wirst dich dort wohlfühlen.«
Immerhin ist es weit genug weg, dachte ich, während er meine Hand an die Lippen hob und küsste. So weit, dass ich eines Tages vielleicht vergessen kann.
Seine Augen bettelten um Antwort.
»Also gut. Ich werde deine Frau. Aber auch ich komme nicht mit leeren Händen.«
Ich ging zu meiner kleinen Truhe und nahm die Blätter heraus, die Sancha mir als Letztes zugesteckt hatte.
»Was ist das?«, fragte er überrascht.
»Lies!«
»Eine Anleitung zum Schöpfen von Papier ...« Er begann aufgeregt zu blättern. »Mit Zeichnungen und detaillierten Beschreibungen der notwendigen Konstruktionen. Das würde bedeuten, dass man selber ...« Er konnte es kaum fassen.
»Weißt du, was das bedeutet? Papier ist das Material der Zukunft. Wer nicht nur mit ihm handelt, sondern es selber produzieren kann, ist ein gemachter Mann. Es bietet so viel mehr Möglichkeiten als das schwerfällige Pergament. Keiner in Ost und West, der es nicht zu schätzen weiß. Deshalb kann man es teuer verkaufen, seht teuer!«
»Das hat mein Bruder auch gesagt.« Ich sprach wie zu mir selbst. »Immer hat er von dem großen Reichtum geträumt, den er mithilfe dieses Wissens eines Tages erwerben würde. Nun wird es für Diego beim Traum bleiben.«
Heinrich schien mich gar nicht zu hören.
»Damit hast du mich zum glücklichsten Mann der Welt gemacht«, sagte er strahlend.
»Ich dachte, das warst du schon, als ich eben ja gesagt habe.«
»Und ob ich das war! Blanca Weltenpurger«, sagte er. »Wie schön das klingt!«
»Nein«, erwiderte ich heftig. »Nicht Blanca. Das ist vorbei. Jene Blanca Alvar ist gestorben. Rena. Rena Weltenpurger wird deine Frau heißen.«
*
Ich hatte das Zisterzienserkloster Santa Maria de Sandoval verlassen, das mir während der letzten Monate Asyl gewährt hatte. In Trobajo del Camino, wo die Estebans ein Landhaus besaßen, wartete ich auf Heinrich, der alles für die Heimreise besorgte.
Es war ein lauer Juniabend; die Fenster zum Garten waren geöffnet. Jasminduft wehte herein, Zikaden zirpten.
Und plötzlich sah ich ihn - Oswald.
»Ich dachte, du bist tot«, sagte ich. »Erschlagen im Heiligen Land. Verschollen und vergraben.«
»Ich war die ganze Zeit in Ponferrada«, sagte er. »Hat Consuelo dir denn nicht gesagt...«
»Der Schönste und Frömmste aller Templer! Wieso lügst du? Du warst in León. Aber zu beschäftigt, um dich um mich und dein Kind zu kümmern.«
»Welches Kind?« Seine Augen blitzten.
»Sie hat deine Augen und dein Haar«, schrie ich ihn an. »Ich habe sie weggeben müssen, gleich nach der Geburt, damit Diego sie nicht tötet ...« In wildem Schluchzen warf ich mich an seine Brust.
»Willst du nicht ganz von Anfang erzählen, Blanca?«, sagte er sanft.
Ich redete, bis ich nicht mehr konnte. Oswald hörte schweigend
Weitere Kostenlose Bücher