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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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zu.
    »Consuelo hat uns getäuscht«, sagte er, nachdem ich geendet hatte. »Uns beide. Mir hat sie vorgegaukelt, du seiest in Sicherheit und wohlauf. Dir, dass es mir gleichgültig sei, was mit dir geschieht. Dabei konnte ich gar nicht kommen. Der Rabanalpass war tief verschneit. Es gab keine Möglichkeit, ihn zu überwinden. Aber was ist mit deinen Haar geschehen, Blanca?«
    Ich hatte vergessen, dass es schneeweiß geworden war.
    »Das siehst du doch«, sagte ich mit einem Achselzucken.
    »Aber du bist nicht erst seit gestern zurück.« Das war das Einzige, was mich interessierte.
    »Was glaubst du, musste ich alles anstellen, bis ich dich endlich gefunden hatte!« Wieder umarmte er mich, diesmal drängender. »Du hast mir so unendlich gefehlt.«
    »Du mir auch. Aber es ist zu spät.« Ich hob meine Hand. Im Kerzenlicht durchzuckten goldene Blitze den blauen Stein. »Ich bin die Frau eines anderen.«
    »Du hast geheiratet? Du lügst, Blanca!«
    »Ich lüge nicht. Ich gehe fort. Schon übermorgen. Es ist vorbei, Oswald.«
    Er packte mich so ungestüm, dass mir der Atem stockte. So hatte er mich noch nie umarmt, nie zuvor geküsst.
    »Es ist nicht vorbei«, flüsterte er, während seine Hände an meinem Kleid rissen. »Es wird niemals vorbei sein, das weißt du genau!«
     
    *
     
    Nachtrag 2
     
    So begann mein Leben mit Heinrich mit einer Lüge, einer ersten, der viele andere folgen sollten. Wir hatten noch einmal gesündigt, Oswald und ich.
    Er ein Mönch, ich eine Ketzerin.
    Nachts verriet ich ihm, wo das letzte Versteck der Reinen war. In der Nähe eines winzigen Dorfes, hoch in den Pyrenäen. Ich hatte Nachricht von Sancha und Carmela, dass sie dorthin aufgebrochen waren. Ich betete, dass sie es sicher erreichen würden. Vielleicht war ihnen wenigstens dort ein Leben in Freiheit und Würde vergönnt.
    »Und wenn ich es nicht mehr aushalte, mit meinem deutschen Kaufmann, gehe ich auch dorthin.«
    Als er mich im Morgengrauen verließ, sah ich ihm lange nach. Dann kehrte ich zu meinem Bett zurück. Die zerwühlten Decken verströmten seinen Duft. Ich presste meine Nase hinein und starb zum zweiten Mal vor Liebe und Sehnsucht.
    Ich war teilnahmslos, nahezu apathisch, als Heinrich mich holen kam. Er schien es nicht zu bemerken.
    Es gab kein Entkommen, wohin wir auch gingen. Wir würden doch immer wieder nur bei uns ankommen.
    *
    Als ich spürte, dass ich erneut schwanger war, hatten wir Lyon bereits erreicht. Heinrich war so überglücklich, als ich es ihm sagte, dass die Scham mich befangen machte. Ich zog den Ring von meinem Finger und steckte ihn an seinen.
    »Was machst du da?«, sagte er erstaunt.
    »Dich noch einmal heiraten«, erwiderte ich. »Auf meine Weise. Solange wir zusammen sind, wird er dir Glück bringen.«
    »Wir werden immer zusammen sein«, sagte er mit glänzenden Augen. »Und Glück habe ich doch schon. Mein
    größtes Glück heißt Rena.«
    Aber die Zweifel fraßen bereits an meiner Seele. Ein sicheres, bequemes Leben war nichts, wonach es mich verlangte. Was hatte ich noch zu erwarten, nachdem ich alles verloren hatte?
    Vielleicht durfte ich mich nicht mehr zu den Reinen zählen. Aber eine fromme Christin, wie die Kirche es forderte, würde ich auch niemals werden. Zu den einen gehörte ich nicht mehr; die anderen würden mir stets fremd bleiben.
    Mein Leben erschien mir nur wie geliehen.
    Und lange bevor wir in Regensburg angekommen waren, wusste ich bereits, dass ich die Stadt eines Tages wieder verlassen würde ...

 

     
    Cebreiro, Juli 1246
      
    Sie begruben Estrella an einem verhangenen Morgen. Nebelschwaden zogen über das Dorf; dünner Nieselregen fiel. Camino hatte die Tote in seinen Templermantel gehüllt, bevor sie in den Sarg gebettet wurde. Die meisten ihrer Karten hatte der Wind zerstreut; nur ein paar wenige waren in der Nähe der Leiche gefunden worden.
    Eine davon hatte Camino ihr zum Abschied auf die Brust gelegt.
    »Die Welt«, sagte er. »Das verlorene und wiedergefundene Paradies. Der Weg dorthin ist mühsam und steinig, hast du mir prophezeit. Aber nun bist du am Ziel angelangt, mein Kind.«
    Er weinte während der Totenfeier, und als Fra Umberto ein letztes Vaterunser sprach, folgte sein Herz dem Gebet, ohne dass er ein Wort hervorbringen konnte.
    Dann senkten sie den Sarg in die Erde.
    »Ich hätte dich gern von Anfang an begleitet, dein ganzes junges Leben lang«, flüsterte Camino. »Aber ich bin froh, dass ich dir wenigstens zum Schluss begegnen durfte.«
    Tariq

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