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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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habe ich nicht schon viel früher daran gedacht? Es ist nicht gut für Frauen, allein zu sein.« Seine Finger fuhren nervös zum Mund.
    Magda erstarrte, und es wurde kalt hinter ihr. Versuchte er etwa, ihre Küsse abzuwischen?
    »Wer will schon eine wie mich?«, sagte sie bitter. »Du doch auch nicht.«
    »Aber doch nicht wegen der paar schiefen Knochen, Lenchen! Wir sind viel zu egoistisch gewesen, das Kind und ich. Du hättest längst deinen eigenen Hausstand haben sollen, anstatt für uns zu sorgen!«
    Seine Fürsorge verletzte sie tiefer als seine Ablehnung.
    »Du willst mich wegschicken? Das musst du nicht. Ich kann von allein gehen.«
    »Davon kann gar keine Rede sein!« Jetzt umarmte er sie, aber nicht wie ein Geliebter, sondern brüderlich. »Du bist doch meine Familie - der Rest, der davon übrig geblieben ist. Dein Vater, mein lieber Oheim, dem ich alles verdanke, ermordet, deine Mutter vor Kummer schon im Jahr darauf gestorben ...«
    Sie gab einen erstickten Laut von sich.
    »Keine Angst«, beschwor er sie. »Ich habe nicht vor, all die schmerzlichen Erinnerungen erneut wachzurufen! Lass es uns gegenseitig nicht noch schwerer machen!«
    Magda streifte seine Arme ab. »Es tut mir Leid, Heinrich«, sagte sie steif.
    »Es ist nichts geschehen, Lenchen, was dir Anlass dazu geben könnte.«
    Er stand zum Fenster gewandt. Sie konnte die Schulterblätter sehen, die sich unter dem Wollstoff abzeichneten, jeden einzelnen Wirbel bis hinauf zum Nacken. Niemals würden ihre Finger zärtlich darüber gleiten. Sie hatte sich immer darauf verlassen, dass die Zeit für sie arbeitete. Aber in Heinrichs Fall hatte sich die Zeit als Gegnerin entpuppt.
    Es tat so weh, dass sie nach Atem rang. Ich werde das überleben, dachte sie trotzig. Wie schon so vieles. Wenn die Schwarze Madonna mir nicht helfen will, schaffe ich es auch alleine. Denn das letzte Wort ist in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen.
    Schweigend lief sie die Treppe hinunter und riss im Vorübergehen ihren gewalkten Umhang vom Haken.
    Draußen war es frostig, eine klare, sternenreiche Nacht, aber sie spürte den Biss der Kälte erst, als sie am Fluss stand. Plötzlich flößte sie ihr Unbehagen ein, die dunkle Stadt in ihrem Rücken, die sie wegen eines kleinen Gebrechens zur Außenseiterin stempelte, obwohl sie doch nie etwas anderes gewollt hatte, als dazuzugehören. Und auch gegen das Haus in der Wahlenstraße, bislang Ziel ihrer Träume, empfand sie jähe Abneigung.
    Das Fährboot lag verwaist am Ufer vertaut. Magda musste kräftig an die Tür der schäbigen Hütte klopfen, bis der alte Bootsmann verschlafen öffnete.
    »Zum Wöhrd!«, befahl sie. »Schnell!«
    »Jetzt?«
    Seine Augen weiteten sich, als er die schwere Münze in seiner Hand betrachtete, und er stellte keine weiteren Fragen mehr. Trotz seiner Jahre ruderte er kräftig und gleichmäßig; das leise Wiegen des Schiffes tat ihr gut, wenngleich Hass und Zorn noch immer jeden klaren Gedanken verhinderten.
    Der Mond stand hoch, ein schmaler Silberstreifen am nächtlichen Himmel. Die Zweige der kahlen Bäume zitterten im Wind. Es waren nur ein paar Schritte bis zur Mühle, aber sie war bis auf die Knochen durchgefroren, als sie die Tür aufstieß.
    »Du?«, sagte Matteo überrascht. Er hatte einen Krug Bier vor sich stehen und wärmte seine Füße an einem Kohlenbecken. Seiner Miene war nicht zu entnehmen, ob er erfreut war oder sich belästigt fühlte.
    »Ja, ich«, sagte Magda. Schnell trat sie ein, bevor auch er sie zurückstoßen konnte.
    *
    Der Keilheimer, erstes und größtes Schiff des gesamten Zuges, war wohlbehalten am Regensburger Wiedfang angelangt. Ihm waren die beiden Gamsen gefolgt, kleiner, mit geringerer Ladefläche, die allerdings mit sichtlich ramponierten Kisten gefüllt war. Es bedeutete eine Plackerei für Menschen und Tiere, die schweren Lastkräne gegen den Widerstand von Ufer und Wasser stromaufwärts zu ziehen. In der Regel gelang es ohne größere Verluste. Dieses Mal jedoch schien alles fehlgeschlagen.
    Lettl starrte in die Kiste, die er hatte aufbrechen lassen. »Weißt du, was das einmal gewesen ist?«, herrschte er den Vorreiter an. »Eine Fuhre kostbarster böhmischer Butzenscheiben, mehr als zweitausend Einzelteile - ein Vermögen! Soll ich dem Kloster diesen Scherbenhaufen abliefern?«
    Die Treiber, die am liebsten seitlich im Sattel saßen, waren allgemein als wüste Gesellen verschrien, die mit Geschrei und Peitschenknallen die Pferde antrieben. Ihr Anführer,

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