Strasse der Sterne
dass man Hölle und Himmel stets im gleichen Sack bekommt?«
»Behaupten das nicht vor allem die, die nicht den Mut aufbringen, sich eindeutig zu einem von beiden zu bekennen?«
Beide lächelten.
»Wieso lässt du deine Base so zappeln?«, sagte Pater Rabanus unvermittelt. »Magdalena ist keine schlechte Frau. Und heißblütig dazu. Du solltest ihr Feuer stillen. Sonst verbrennt es dich noch eines Tages.«
»Buhlschaft - und das ausgerechnet als deine Empfehlung?«
»Ich spreche von Ehe.«
»Dir dürfte bekannt sein, dass ich bereits verheiratet bin.«
»Und dir, dass diese Ehe jederzeit zu annullieren wäre. Keine Ehe mit einem Ketzer besitzt Gültigkeit. Und das ist sie, deine Spanierin - eine unbelehrbare Ketzerin.«
Heinrich schwieg.
»Außerdem könntest du sie für tot erklären lassen. Wieso zögerst du noch?«
Noch immer wortlos, drehte der Weltenpurger ihm den Rücken zu und ging langsam zu der Kreuzigungsgruppe im Triumphbogen. Dem Mönch blieb nichts anders übrig, als zu folgen. Die Füße des gekrönten Herrn stützten sich leicht angewinkelt auf ein schräges Brett, seine Arme waren leicht durchgebogen. Dunkles Haar umrahmte sein Haupt. Links neben ihm stand Johannes, ein schlanker, blonder Jüngling, der ein golden umrahmtes Buch in Händen hielt; rechts von ihm betete andächtig Maria.
»Jesus hat seine Botschaft mit dem Leben bezahlt«, sagte Heinrich leise. »Nicht einmal Satan konnte ihn von seinem Weg abbringen. Ich halte nichts von dem Irrglauben, dem meine Frau anhängt. Aber ich bewundere ihre Konsequenz.«
»Wäre sie noch an deiner Seite, würdest du dein blindes Mädchen dann auch leichtfertig in ein fremdes Haus geben?«
»Du missbilligst die Wahl?«, fragte Heinrich. »Weshalb?«
Rabanus verzog den Mund. »Ich habe ihre Gesichter neulich genau studiert, das des alten Löbel ebenso wie das des jungen. Und keines von beiden hat mir gefallen. Du machst einen Fehler, Heinrich.« Auf seiner Stirn erschien eine tiefe Falte. »Wieso vertraust du sie nicht lieber der Obhut eines Klosters an?«
»Weil Pilar nicht zur Nonne taugt und sie sich zudem für Martin entschieden hat«, sagte Heinrich. »Und Renas Mutterliebe darf in meiner Gegenwart keiner in Frage stellen.«
»Ich lass mir nicht den Mund verbieten! Wie konnte sie nur ihre Pflichten so vernachlässigen?«
»Der Schmerz, verlassen zu werden, ist unerträglich«, erwiderte Heinrich leise. »Ich hab es am eigenen Leib spüren müssen. Aber jemanden zu verlassen ist ebenfalls schmerzvoll. Man braucht Mut, um Abschied zu nehmen.«
»Ach, wer sich zu einer Füchsin legt, muss damit rechnen, gebissen zu werden! Wer die Augen wissentlich vor dem Bösen verschließt, lädt Schuld auf sich.«
»Steckt aber nicht gerade in der Schuld die größte Hoffnung auf Vergebung?« Heinrichs Hand wies zum Kreuz. »Jesus hat sich geopfert. Für uns ist er gestorben - um unsere Schuld auf sich zu nehmen.«
»Du sprichst schon fast so doppelzüngig wie deine Ketzerin!«, sagte der Mönch warnend. »Sei vorsichtig, Heinrich, ich warne dich! Bislang habe ich geschwiegen, weil mich das Schicksal deiner Tochter gedauert hat und ich dein Los nicht noch schwerer machen wollte.« Er hielt inne.
»Aber?«, sagte Heinrich.
»Ich müsste reden, hätte die schwelende Glut des Verderbens dich ebenfalls erfasst. Die Kirche kann nicht tatenlos zusehen, wenn der Teufel nach den Seelen ihrer Gläubigen greift.« Er räusperte sich viel sagend. »Selbst wenn er in weiblicher Gestalt erscheint und verführerisch wirkt.«
*
Sie wachte auf, als Minka sich mit einem zarten Zirpen bemerkbar machte. Die Katze sprang auf das Bett und lief einige Male unruhig hin und her, bis sie sich schließlich neben ihr zusammenrollte. Ihr Schnurren war so laut, dass es Pilar an ein munter prasselndes Feuer erinnerte. Langsam fuhren ihre Finger durch das Fell. Winterfell, das dichter und länger war als noch vor ein paar Wochen. Unter dem gleichmäßigen Streicheln entspannte sich der Tierkörper, bis man hätte glauben können, er sei knochenlos und bestehe ausschließlich aus Haut und Pelz.
»Keine kommt mehr, Minka«, sagte sie und spürte zu ihrer eigenen Überraschung, dass sie zu weinen begann. »Nicht eine einzige meiner früheren Freundinnen besucht mich noch. Als ob mich plötzlich eine ansteckende Krankheit befallen hätte, vor der sie sich hüten müssten.«
Die Katze schien sich enger an sie zu schmiegen.
»Als sei ich schon tot und begraben«, fuhr Pilar fort.
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