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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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gefürchtet hatte, bei lebendigem Leib zu verbrennen. Sie musste sich freigestrampelt haben. Als sie erwachte, lagen die Decken auf dem Boden und sie war klamm vor Kälte.
    Heinrich erhob sich schwerfällig von der hölzernen Bank, auf der er gekniet hatte. »Schneefall ist wirklich nicht mein Wetter, Base! Manchmal spüre ich den Winter schon in den Gelenken.«
    »Unsinn!«, widersprach sie. »Du bist noch lange kein alter Mann, Heinrich!«
    »Wieso fühle ich mich dann manchmal so?«
    Unruhig begann er herumzuwandern. Der Raum war karg ausgestattet, ein Kruzifix unterm Fenster und die geschnitzte Marienstatue in der Wandnische waren die einzigen sakralen Artefakte. Auf dem Schoß der Madonna saß Jesus, kein pummeliges Kind, sondern ein schmaler, ernster Junge. Das Besondere war ihr Gesicht - schwarz, wie auch ihre Rechte, die sie segnend erhoben hatte.
    »Vielleicht, weil du dein Leben verstreichen lässt, als gehöre es dir gar nicht.« Sie hatte es ausgesprochen, ohne lange zu überlegen. »Ich wundere mich ohnehin über die Kraft, die du aufbringst, um gegen deine Natur zu handeln.«
    »Was weißt du schon von meiner Natur?«
    Er begann ärgerlich zu werden, das erkannte sie an der sorgfältigen Art, wie er jedes Wort wählte. Dann war sie wenigstens nicht die Einzige in diesem Haus, die heimlichen Groll empfand!
    »Eine ganze Menge. Du und ich sind nämlich aus dem gleichen Holz geschnitzt, auch wenn du es nicht wahrhaben willst.« Magda schluckte, aber es gab kein Zurück mehr. »Ich kenne die Einsamkeit. Und einem Mann ohne Frau fehlt es ebenso an Freude, Segen und Glück. Soll das etwa bis in alle Ewigkeit so bleiben, Heinrich?«
    »Ich habe bereits eine Frau.« Er drehte an seinem Ring. »Und alles, was mit ihr zu tun hat, geht dich nichts an.«
    Hielt er sie für ein gefühlloses Stück Holz, das er ins Feuer werfen und zu Asche verbrennen konnte? Nur weil sie einen Buckel hatte? Ihr Zorn wuchs.
    »Sieben endlose Jahre läufst du bereits ihrem dunklen Spiegelbild hinterher, aber deine Rena gibt es nicht mehr.« Jetzt schrie sie. »Sie ist tot!«
    »Manchmal sind die Toten unsere vertrautesten Gefährten.« Heinrich hatte seine rastlose Wanderung wieder aufgenommen. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich ständig nach ihm umzudrehen, weil sie nicht wollte, dass ihr Rücken ihm schutzlos preisgegeben war. »Wir meinen nur, dass sie fort sind«, setzte er erneut an. »Aber in Wirklichkeit geschieht es nur, wenn wir sie vergessen.«
    »Selbst wenn Rena noch leben sollte, so hat sie dich längst vergessen.« Die Spanierin hatte ihr Heinrich gestohlen. Aber sie war fort. Jetzt war sie am Zug. »Leg endlich deinen Ring ab! Dann wirst du Ruhe finden. Sonst rinnt das Leben weiterhin tropfenweise aus dir heraus. Spürst du es nicht, Heinrich?«
    Schweigend stand er ihr gegenüber.
    »Sie ist tot«, beharrte Magda. »So oder so. Vergiss sie endlich. Aber ich bin am Leben. Fühlst du es?« Sie berührte ihn an der Stirn mit der Fingerspitze. Wenigstens wich er nicht zurück.
    »Dafür bin ich nicht der Richtige«, brachte er schließlich heraus.
    »Wovor hast du eigentlich Angst?« Sie stemmte die Fäuste angriffslustig in die Hüften. »Vor ihren unsichtbaren Augen? Oder hoffst du insgeheim, sie könne doch zurückkommen? Das wird sie nicht, denn sie hat dich niemals geliebt.«
    »Sei still!« Er hatte plötzlich das Gefühl, in seinem Körper wie in einer Falle zu stecken.
    Furchtlos trat sie auf ihn zu und umschlang ihn.
    »Aber ich liebe dich. Ich liebe dich schon so lange.« Ihre Lippen trafen seine Wangen, den Hals, das Kinn mit dem Grübchen, das sie besonders anziehend fand. Sie spürte die Kraft der Schwarzen Madonna in ihrem Rücken wie einen warmen Strahl. Maria hatte selbst geliebt und kannte das Leid. Vielleicht stand sie nur deshalb in dieser Nische, um sie davor zu bewahren. »Du warst alles, wonach ich mich immer gesehnt habe. Ich halte es nicht mehr aus«, hörte sie sich sagen, und ihre Stimme überschlug sich beinahe. Sie umfasste seinen Nacken und küsste seine Lippen. Erst waren sie verschlossen und störrisch, aber sie ließ sich nicht abbringen, sondern zwang sie auf, beinahe gewaltsam. Sie fühlte, wie Heinrich langsam nachgab. Er legte sogar die Arme um sie. Wie ein hungriger Vogel öffnete sie ihren Mund seinen scheuen Küssen. Lang unterdrückte Lust suchte von ihr Besitz zu nehmen.
    Er ließ sie so abrupt los, dass sie taumelte.
    »Du hättest längst heiraten sollen, Base. Wieso

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