Strasse der Sterne
genügt das Rabanus bereits, um sie verdächtig zu finden. Sie fehlt mir so sehr, Martin! Wenn du sie gekannt hättest, würdest du sie auch vermissen.«
»Was sollen wir jetzt tun? Ich gehe zugrunde, wenn du nicht endlich meine Frau wirst!«
»Ich werde mit Papa sprechen. Der weiß immer eine Lösung.«
»Jetzt gleich? Wo steckt er überhaupt?«
Pilar lächelte. »In seinem Turm natürlich. Wie beinahe jeden Abend.«
*
Es war ihm gelungen, die brennenden Talgkerzen in den kleinen Laternen sicher über die dunkle Donau zu bringen. Vorsichtshalber hatte er auch noch Flintstein mitgenommen, um jedes Risiko auszuschließen. Er war froh, dass er sich die anstrengende Prozedur ersparen konnte, denn das Rudern gegen die Strömung war ermüdend gewesen. Sperling schwitzte, obwohl ein frischer Wind sich erhoben hatte. Günstig für sein Vorhaben, sobald es ihm erst einmal gelungen sein würde, das Reisig, zu entzünden.
Er lud aus und brachte sein ganzes Material zur Mühle. Alles dunkel. Also schien zu stimmen, was Zandt ihm gesagt hatte: Der Welsche war unter einem Vorwand in die Stadt gelockt worden. Sperling empfand nichts als Abscheu für diesen Kerl, der seine Agnes zum Lumpensortieren eingeteilt hatte. Dennoch lag ihm nichts daran, ihn auf dem Gewissen zu haben. Es galt, den wahren Schuldigen zu bestrafen, deshalb war er hier.
Seine Hände waren ruhig, als sie Reisig auf den Lumpenhaufen schichteten, Stroh darüber legten und zuoberst den Zunder, knochentrocken, weil er ihn unter seinem Mantel wie einen Schatz geborgen hatte. Er pustete, der Wind war sein Verbündeter. Die Flammen waren hell und kräftig.
Er trat zurück, um sein Werk zu betrachten.
Bald waren die Lumpen eine gleißende Feuersäule. Sperling ergriff einen brennenden Ast und schleuderte ihn in den Holzbau, in der Agnes sich die tödliche Krankheit geholt hatte. Den nächsten Ast warf er auf das strohgedeckte Mühlendach. Wenn er Glück hatte, brannte alles bis auf den Grund nieder. Er hörte, wie das Gebälk unter den Flammen ächzte.
Grimmige Freude ergriff ihn. Warum nicht auch das Stampfrad abfackeln, jenes Teufelsding, das die Lumpen zerrieb, die seiner Agnes den Tod gebracht hatten?
Sperling hielt seine Fackel an das Holz, bis es Feuer fing. Heute war Lichtmess und die halbe Stadt unterwegs bei der Kerzenprozession. Sie sangen und beteten, während er für Gerechtigkeit sorgte.
Er sah sich um. Hatte er seinen Auftrag erledigt?
Ein Holzbau war verbrannt, eine Mühle in Schutt und Asche, ein verkohltes Stampfwerk - Kleinigkeiten für einen Mann wie den Weltenpurger, der die Mittel besaß, um solche Verluste schnell wieder zu ersetzen. Seinen Verlust jedoch konnte keiner jemals wettmachen. Agnes war tot. Kein Silber dieser Welt machte sie wieder lebendig.
Und plötzlich wusste Sperling, was zu tun war .
Er sprang ins Boot, stieß sich vom Ufer ab und ruderte zügig in Richtung Stadt.
Der Weltenburger sollte den Kuss des Feuers aus nächster Nähe spüren.
*
Pilar war gerade zur Tür hinaus, da überkam Heinrich heftige Erregung. Was die Tochter ihm eben anvertraut hatte, ließ seine schlimmsten Albträume lebendig werden. Gleich morgen würde er sie sich beide vornehmen, den geschwätzigen Pater ebenso wie diesen feigen Albin Löbel. Und dann würden sie sehen, was geschah, wenn man einen Mann wie ihn in Rage versetzte!
Auf dem Tisch stand noch ein Rest des Kirschkompotts, das Magda ihm heute als Nachtisch serviert hatte. Der säuerliche Geschmack lag angenehm auf seiner Zunge, machte ihn allerdings erstaunlich durstig. Er trank den Krug in einem Zug aus und griff nach dem zweiten, den er ebenfalls bis zum letzten Topfen leerte. Die Trockenheit in seinem Mund jedoch wollte nicht vergehen.
Sein Körper glühte. Als er die Ärmel nach oben schob, entdeckte er rötliche Flecken auf beiden Armen.
Wurde er krank? Ein Ausschlag? Eine Pestilenz?
Heiterkeit überfiel ihn. Und wenn schon - er würde die beiden eben vor sein Krankenlager zitieren und zur Rede stellen! Zu glauben, sie könnten über Rena und ihn urteilen! Was wussten sie schon über sie? Über das Kloster, dem er sie damals entrissen hatte? Den gefährlichen Weg, den sie zurückgelegt, und das neue Leben, zu dem sie sich gemeinsam entschlossen hatten? Vielleicht argwöhnten sie insgeheim sogar, Pilar sei gar nicht sein Kind, weil er Rena damals schon schwanger nach Regensburg gebracht hatte.
Nichts wussten sie, gar nichts!
Gelächter kam wie ein Krampf über ihn, und
Weitere Kostenlose Bücher