Strasse der Sterne
kaufen gab. Magda nahm den Weg zur Neue-Wag-Gasse, wo Lettl mit seiner großen Familie wohnte. Plötzlich hielt sie inne. Zandt, dachte sie, natürlich! Niemand hasst und beneidet Heinrich mehr. Er ist der Mann, den ich brauche.
Sie schritt aus, ohne nach links oder rechts zu schauen, bis sie sein Haus am Watmarkt erreicht hatte. Der Löwenklopfer wog schwer in ihrer Hand. Sie ließ ihn dreimal gegen das Holz schlagen.
Zandt erschien nur ein paar Augenblicke später, trotz der frühen Stunde sorgfältig gekleidet. »Hat dich der Weltenpurger geschickt?« Seine grauen Augen zeigten kein Lächeln.
»Der weiß nicht einmal, dass ich hier bin.« Sie reckte sich unwillkürlich, um vor dem großen Mann stattlicher zu wirken. »Ich rate dir, es auch dabei zu belassen. Aber du solltest wissen, was er vorhat. Er will euch alle ruinieren.«
»Das sollten wir in Ruhe besprechen«, sagte Zandt langsam.
*
Zuerst hatte er getrunken, weil ihn Agnes' bleiches Gesicht nicht mehr losgelassen hatte. Dann, weil er nicht wusste, wie er es sonst hätte ertragen sollen, dass sie in die kalte, harte Erde gesenkt worden war. Jetzt trank er, weil das fremde Silber wie Salpeter in seinen Taschen brannte.
Sperling hatte schnell verstanden, was sie wollten. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er mit den feinen Herren zusammengesessen, die sonst wegsahen, wenn er ihnen auf der Straße begegnete.
»Du kannst uns helfen, Sperling. Dir hat er ebenso übel mitgespielt wie uns. Der Weltenpurger braucht einen Denkzettel, den er so schnell nicht vergisst.« Klimperndes Silber, so viel, dass ihm die Augen übergingen.
»Was soll ich tun?«, hatte er geflüstert. »Was verlangt ihr von mir?«
»So gut wie gar nichts. Manchmal brennt es ja fast von allein.«
Dann folgten ihre Anordnungen, scharf und knapp. Es hatte zunächst nicht besonders schwierig geklungen, inzwischen aber hatten sich ihre Erwartungen wie ein Mühlstein um seinen Hals gelegt. Er hatte den Judaspfennig angenommen. Jetzt stand er in ihrer Schuld.
Sperling trank seinen Krug aus, warf eine Kupfermünze auf den Tisch und verließ die Schenke.
*
Martin war zornig, als er sie heute besuchte, und zum ersten Mal fühlte Pilar sich ihm nah.
»Der Vater hat kein Herz«, sagte er, während er in der Stube unruhig auf und ab ging. »Wo das bei anderen schlägt, klingeln bei ihm nur blanke Silbergroschen.«
»Was ist geschehen?«, fragte sie. »Was hat dein Vater denn getan?«
»Frag mich lieber nicht!«
Sie spürte seinen Atem an ihrer Wange. Er hatte Bier getrunken und etwas Scharfes gegessen, das ihn womöglich noch mehr aufgeheizt hatte.
»Es hilft, sich den Kummer von der Seele zu reden«, sagte sie und tastete nach seiner Hand. »Wir werden bald unser Leben miteinander teilen. Meinst du nicht, dass du mir da jetzt schon dein Vertrauen schenken kannst, Martin?«
Zu ihrer Überraschung zog er seine Hand zurück. »Aber es fällt mir so schwer, darüber zu sprechen!«
»Versuch es trotzdem«, bat sie. »Du wirst dich besser fühlen.«
Er setzte sich auf einen Stuhl, allerdings so weit entfernt, dass sie ihn nicht berühren konnte, ohne aufzustehen.
»Es ging um deine Mutter«, sagte er. »Rabanus hat schreckliche Dinge über sie erzählt. Warum tut er so etwas? Der Pater ist doch ein Mann Gottes und muss die Wahrheit sagen!«
»Was hat er gesagt?«
»Dass sie mit dem Teufel im Bund ist - eine unbekehrbare Ketzerin! Und dass sie dich ebenfalls ...« Er brach ab.
»Weiter!« Ihre Stimme klang erstaunlich gefasst.
»... von Geburt an Luzifer geweiht hat. Es nütze nichts, dass sie weggelaufen ist. Das mache alles nur schlimmer, weil sie sich damit der Gerichtsbarkeit entzogen hat. Die Saat des Bösen sei bereits in dir aufgegangen. Und weißt du, was der Vater geantwortet hat? Dass er sich unter diesen Umständen unsere Hochzeit noch einmal reiflich überlegen
müsse!« Martin sprang auf, lief zu Pilar und barg sein Gesicht in ihrem Schoß. »Aber ich will doch nur dich! Bevor ich eine andere nehme, spring ich lieber von der Steinernen Brücke.«
Langsam fuhren ihre Finger durch sein Haar.
»Meine Mutter ist niemals wie die anderen gewesen«, sagte sie. »Das wusste ich schon, als ich noch sehr klein war. Und was den Teufel betrifft ...«
»Still, Pilar! Nicht dieses Wort aus deinem schönen Mund!«
Sie schob seine Hand fort. »Sie hat niemals in meiner Gegenwart vom Teufel gesprochen. Aber sie hat viel gebetet und ist nicht gern zur Messe gegangen. Vielleicht
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