Strasse der Sterne
dort kann es nicht mehr weit sein zu dieser Pilgerstraße. Und wenn ich die erst einmal erreicht habe, dann...«
Sein Blick hatte sich verdüstert.
»Wer bist du eigentlich?«, sagte er. »Garantiert keine Maurin, denn sonst würdest du nicht wie ein Straßenköter mit mir übers Land ziehen. Aber eine Christin bist du auch nicht. Kein einziges Mal hab ich dich unterwegs die Messe besuchen sehen. Und eine fromme Jüdin sollte ...«
Sie starrte ins Feuer. »Halt einfach deinen Mund.«
Am nächsten Abend kamen sie nach Almagro. Ein paar Häuser, streunende Hunde, die sie anbellten, kaum Menschen auf der Straße, obwohl es noch hell war. Die Tage wurden länger und heißer; bald schon würde der Sommer seine glühende Hand auf das Land legen.
Felipe bückte sich plötzlich und begann am Boden zu kratzen.
»Siehst du nichts?«, sagte er.
Estrella zuckte die Achseln. Seine Hand, erstaunlich klein für einen Metallarbeiter, war schmutzig wie meistens. Nur unter den Fingernägeln schimmerte es rötlich.
»Was soll das sein?«, sagte sie. »Dreck?«
»Bist du blind? Das ist Safran!« Wie ein Derwisch begann er, sich um die eigene Achse zu drehen. »Weißt du, was das bedeutet? In diesen Schuppen hier wird das rote Gold gelagert! «
»Und wenn schon.« Sie war hungrig und durstig und wollte nur noch eines - schlafen. »Was hat das mit uns zu tun?«
»Wo hast du bisher eigentlich gelebt?« Immer wieder brachte ihn ihre Gleichgültigkeit in Rage. »Safran ist das teuerste aller Gewürze. Ein ordentliches Säckchen davon, und meine Schmiede muss kein unerfüllter Traum bleiben!«
Er ließ sie am Dorfrand warten und ging allein voraus. Es dauerte, bis er wieder zurückkam. Inzwischen wurde sie von einem Rudel Hunde umkreist, die alles andere als freundlich wirkten, und sie hasste ihn dafür.
»Wir haben eine Unterkunft«, sagte er und lächelte. »Du magst doch Paella?«
Es war Monate her, dass sie das Reisgericht gegessen hatte, und ihr Magen zog sich voller Verlangen zusammen. Aber da war etwas in seinem Ausdruck, was sie misstrauisch machte.
»Und wo ist der Haken?«, sagte sie. »Raus damit!«
»Kein Haken. Wir essen. Wir schlafen. Morgen früh wandern wir mit frischen Kräften weiter.«
Estrella hatte kaum das Haus betreten, da ahnte sie, woher Felipes gute Laune kam. Der Bauer, ein dürrer Mann mit schwindendem Haar, verschlang sie mit den Augen. Kinder kamen neugierig herbeigelaufen, während eine alte Frau schimpfend in der Küche hantierte.
»Die Schwiegermutter«, flüsterte Felipe ihr zu. »Der Arme ist seit zwei Jahren verwitwet.«
Die Reispfanne, die sie schließlich auf den Tisch brachte, schmeckte gut, wenngleich sie äußerst sparsam mit Huhn und Rindfleisch bestückt war. Auch der Safran, der ihr gewöhnlich die leuchtend gelbe Farbe verlieh, war sichtlich karg verwendet worden. Trotzdem aßen alle mit großem Appetit; Estrella so gierig, dass sie sich mehrmals verschluckte. Währenddessen ruhten die glänzenden Knopfaugen des Bauern unverwandt auf ihr.
»Geh schon mal voraus«, sagte Felipe, als sie fertig waren. »Unser Stall ist dort drüben. Ich werd mir noch ein bisschen die Beine vertreten.«
»Ohne dich? Nicht einen Schritt!«, fauchte sie. »Hast du nicht gesehen, wie der Bauer mich anglotzt?«
»Na, wenn schon! Du wirst doch jetzt keine Zicken machen?« Er zwinkerte ihr zu. »Halt ihn ruhig ein bisschen auf Trab. Währenddessen kann ich etwas für unsere Zukunft tun.«
»Ich fass es nicht! Du verlangst, dass ich es mit diesem widerlichen Kerl treibe? Für ein paar Teller gelben Reis? Ich denke nicht daran!«
Er packte ihren Arm, so fest, dass sie aufschrie.
»Ich wette, du wirst es schon sehr bald für viel weniger tun, Estrella«, sagte er. »Und wenn nicht freiwillig, dann muss ich dich eben festbinden.«
*
Vor Limousin, Mai 1246
Die junge Braut in Collonges-la-Rouge, einem Dorf in der Nähe von Limousin, war unübersehbar schwanger, mit strahlenden Augen und einem Sechsmonatsbauch, den sie unter der bestickten Schürze stolz herausstreckte. Ihren Kopf bedeckte eine Haube, die mit Schleifen verziert war. Ein buntes Tuch hatte sie um die Schultern gelegt. Gefeiert wurde im Freien, vor dem Bauernhaus aus Granit, das ein neues Strohdach trug. Man hatte Tische und lange Bänke aufgestellt, an denen schon seit Mittag gegessen und kräftig getrunken wurde.
Als Moira an ihre eigene Hochzeit dachte, verlor die Brotsuppe viel von ihrem südlichen Aroma.
An einem grauen
Weitere Kostenlose Bücher