Strasse der Sterne
Magdalena in Vezelay, wo sie sich Schulter an Schulter mit anderen Pilgern gedrängt hatte. Hans dagegen war voller Vorfreude gewesen, und seine Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Nie waren die Münzen reichlicher geflossen. Moira dagegen erfüllte mit Misstrauen, was die Menschen so zahlreich dorthin trieb. Weil Maria Magdalena eine Sünderin gewesen war, der der Herr dennoch vergeben hatte? Und jeder von ihnen hoffte, dieser Gnade zuteil zu werden?
Ihr Blick glitt nach oben, zur Decke, die mit verblassten Fresken geschmückt war. Sie zeigten die Vertreibung aus dem Paradies, mit einer züngelnden Schlange, die sich vom Baum der Erkenntnis herunterwand, und einer nackten Eva, die sich ängstlich vor dem Schwert des Erzengels Michael neigte.
Und es war auch für Moira wie ein Schwerthieb, als ihre Augen am Schlussstein hängen blieben. Am Scheitelpunkt des Bogens war ein Blitz eingeritzt.
Sie erkannte es sofort.
Geros Steinmetzzeichen, ihm verliehen als Ehrensymbol zu Ende der Lehrzeit.
*
Im Aubrac, Mai 1246
Sie kamen im Schutz der Nacht, drei Männer, die sich keine große Mühe gaben, leise zu sein. Pilar schreckte hoch, als sie Wallis erschrockenes Wiehern hörte. Tariq, der neben
ihr lag, hatte keine Möglichkeit mehr, sich zu wehren, so fest umfasste einer der Räuber seine Gurgel.
»Camino!«, wollte sie schreien. Das Messer aber, das sich in ihre Rippen bohrte, belehrte sie schnell eines Besseren.
»L'argent!«, knurrte der Mann und kam ihr so nah, dass sie seinen fauligen Atem riechen konnte. »Ou est l'argent?«
Sie durften der Stute nichts tun! Lieber sollten sie das Geld nehmen und verschwinden.
»Beim Pferd«, brachte Pilar heiser hervor. »Le cheval ...«
Der Mann, der sie bedroht hatte, sackte über ihr zusammen. Ein Stück entfernt hörte sie einen zweiten schmerzerfüllt fluchen.
»Du wirst mich nicht mehr anrühren!« Das war Tariq.
»Bist du in Ordnung?« Camino klang besorgt.
»Er ... er liegt auf mir.«
»Das beheben wir später! Komm, Tariq, wir schnappen uns den Dritten!«
Sie mussten ihm ein ganzes Stück hinterherlaufen, bis sie ihn endlich zu fassen bekamen, Tariq hielt ihn fest, während Camino ihn ausführlich verprügelte.
Pilar war es inzwischen gelungen, sich von dem schweren, leblosen Körper zu befreien.
»Er blutet stark«, sagte sie, als Camino ihr aufhalf.
»Aber er atmet. Das ist mehr, als sie für uns vorgesehen hatten!«
Camino riss die Jacke des Räubers in Fetzen und fesselte ihn damit.
»Morgen wird ihn jemand aufklauben«, sagte er. »Bis dahin lassen wir ihn ein Weilchen schmoren.«
»Und wenn von irgendwo Verstärkung kommt?«, sagte Pilar. »Vielleicht waren sie nur die Vorhut.«
»Du hast Recht«, sagte Camino. »Wir sollten kein unnötiges Risiko eingehen.«
Sie beschlossen, aufzupacken und auf der Stelle weiterzuziehen. Das Mondlicht ließ die Basaltrippen plastischer hervortreten. Langsam zogen sie durch die einsame Vulkanlandschaft der Auvergne, deren Berge sich wie Kegel aneinander reihten.
Dieses Mal ließ Tariq Camino nicht ein Stück vorausgehen wie üblich, sondern war bemüht, möglichst aufzuschließen. In einem kleinen Eichenwald machten sie schließlich Halt. Camino inspizierte das Gelände und kam mit einem Nicken zurück.
»Wir können es versuchen«, sagte er.
»Zeit zum Schlafen«, sagte Tariq und half Pilar vom Pferd. »Ich denke, wir können alle Schlaf gebrauchen!«
Camino wollte sich wie jede Nacht ein Stück entfernen, Tariq aber hielt ihn am Arm fest.
»Du verstehst zu kämpfen«, sagte er. »Ohne dich wäre es ganz anders ausgegangen. Wir haben dir zu danken, die niña und ich.«
»Ich hab viel Übung darin. Aber eigentlich hätte ich nichts dagegen, es zu verlernen«, lautete die Antwort.
»Vielleicht sollte ich mich bei dir entschuldigen.«
»Angenommen.« Camino wandte sich zum Gehen.
»Willst du nicht bei uns schlafen?«, rief Tariq ihm hinterher. »Bei der niña und mir?«
»Du meinst, falls wieder Räuber kommen?« Im Mondlicht waren Caminos Zähne sehr weiß.
»Falls wieder Räuber kommen«, bekräftigte Pilar, die sich nicht ein Wort des Zwiegesprächs hatte entgehen lassen. Mit der flachen Hand klopfte sie einladend auf den Boden. »Hier. Neben mir. Diese Stelle erscheint mir besonders trocken und gemütlich.«
VERMÄCHTNIS 4
TEUFELSWERK
León, Sommer 1227
Ich trug den Teufel im Leib.
Zumindest nannten die Reinen es so, denn ich war schwanger.
Tief in mir hatte ich
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