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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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es schon geahnt. Die Übelkeit, die Schwäche, der anhaltende Ekel vor Speisen - alles eindeutige Zeichen. Aber der Typhus mit seinen Symptomen hatte mir Gelegenheit gegeben, mich selber zu belügen.
    In mir wuchs Oswalds Kind.
    Seit mehr als vier Monaten, wenn meine fieberhaften Rechnungen stimmten. Oft fühlte es sich an, als würden meine Blutungen einsetzen. Ein kurzes Ziehen, das meine Bauchdecke hart werden ließ, so schnell wieder vorbei, dass man es für einen Irrtum halten konnte. Aber es kam zurück, öfter, länger, stärker.
    An wen konnte ich mich wenden, jetzt, wo Oswald fort war und ich nicht wusste, ob und wann ich ihn wieder sehen würde?
    Als Erstes fiel mir Consuelo ein, die selber binnen kurzem gebären würde. Dann jedoch verwarf ich diesen Gedanken wieder. Manuel war inzwischen wieder nach León zurückgekehrt und überschüttete seine junge Frau mit Fürsorge. Sie war träge und schwerfällig geworden und scheute jede Aufregung. Und die Vorstellung, ihr zusätzlich zu dem Geheimnis, mit dem sie mich schon in der Hand hatte, noch ein weiteres zu offenbaren, schreckte mich ab.
    Sancha?
    Es schien ihr nicht leicht gefallen zu sein, in ihr einsames Haus zurückzukehren, und wenn unsere Wege sich kreuzten, fing ich manchmal Blicke von ihr auf, die ich nicht zu deuten wusste. Zum Reden gab es kaum Gelegenheit. Die Schwarzkutten hatten ihr Netz so eng über León gezogen, dass wir kaum noch zu atmen wagten. Obwohl gering an Zahl, schienen sie allgegenwärtig. Die ganze Stadt duckte sich unter ihren Rosenkränzen.
    Kein Melioramentum, keine Feuertaufe, nicht eine einzige Versammlung, seit Wochen. Es hieß, die Dominikaner lauerten schon so lange vergeblich auf Beute, dass ihr Vorgehen immer rigoroser wurde.
    Roger und Angelita wohnten nicht bei uns. Und doch verging kaum ein Tag, an dem ich sie nicht zu Gesicht bekam. Diego hatte sie im Nachbarhaus untergebracht, wo er seit einiger Zeit auch sein Kontor betrieb. Und er hatte Roger als Schreiber eben dort beschäftigt, eine riskante Lösung, wie er selber wusste.
    Ich erkannte es an der Vehemenz seiner Verteidigung.
    Natürlich hatte ich ihm den unangenehmen nächtlichen Besuch ausführlich geschildert und nicht verschwiegen, wie beherzt Sancha reagiert hatte. Unsere wundersame Rettung durch Oswalds Ring freilich blieb unerwähnt, und obwohl wir nicht darüber gesprochen hatten, war ich seltsamerweise überzeugt, dass auch Sancha ihm keine Silbe davon erzählt hatte.
    »Sie werden wiederkommen«, sagte ich. »Damit müssen wir rechnen. Sie haben angekündigt, dass sie sich eingehender mit dir beschäftigen wollen. Was sollen wir tun, Diego? Wenn sie jetzt auch noch Fremde in unserer Nähe antreffen, für deren Anwesenheit wir keine plausible Erklärung geben können, werden wir erst recht verdächtig wirken.«
    »Die Hunde des Herrn werden auch dieses Mal nichts entdecken«, entgegnete er. »Außerdem kann ich ihnen tausenderlei vernünftige Gründe nennen, warum Roger für mich arbeitet. Und was unsere französischen Freunde betrifft - wohnen müssen sie schließlich irgendwo. Wir werden bald davon profitieren.«
    Diego betrachtete seine gepflegten Hände. Mein Bruder liebte Vollkommenheit. In allem, was er betrieb.
    »Ich rede nicht nur vom geistlichen Beistand. Roger ist nicht mit leeren Händen über die roten Berge zu uns gekommen. Er hat vielmehr etwas von unschätzbarem Wert mitgebracht. «
    Ich konnte mit den dünnen, hellen Blättern wenig anfangen, die er mir triumphierend entgegenstreckte.
    »Siehst du nicht?« Meine Begriffsstutzigkeit schien ihn aufzuregen. »Das ist das schönste und edelste Papier, das ich jemals in Händen gehalten habe! Allein die Farbe! Und die Glätte - unvergleichlich! Und weißt du, was das Besondere daran ist? Roger kennt die Methode, wie man es herstellt! Damit nicht genug: Er hat mir dieses Wissen in Form schriftlicher Aufzeichnungen ausgehändigt. Das bedeutet Freiheit, Blanca, und künftig beachtliche Erträge, denn das neue Material wird immer beliebter! Das heißt, wir werden bald vom maurischen Zwischenhandel unabhängig sein. Wir sind ihm also zu tiefstem Dank verpflichtet - dem Meister und seinem kleinen Engel.«
    Angelita - ein Engel?
    In meinen Augen war sie genau das Gegenteil. Hinter ihrer Schüchternheit verbarg sich Starrsinn, hinter dem Gehorsam lauerte Gehässigkeit. Mir erschien sie wie ein Wesen ohne
    Substanz. Ein Schatten. Ein armseliger, knochiger Vogel mit rostigen Sommersprossen, viel zu

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