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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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gutes Silber verdienen«, sagte er, trotzig wie ein Kind. »Und du wirst schon bald ...«
    »Ich will nur meinen Stein zurück, du verdammter Dieb!«
    »Ich fürchte, dazu ist es jetzt zu spät.«
    »Das ist mir egal! Schaff ihn her, Hurensohn«, zischte sie. »Egal, wie. Sonst stoß ich dir bei nächster Gelegenheit eines deiner wunderbaren Messer in den Leib.«
     
    *
     
    Auf dem Hochplateau des Aubrac, Mai 1246
     
    Der Wind pfiff gnadenlos. Pilar fror trotz des Umhangs und wünschte, sie hätten das Nachtquartier endlich erreicht.
    Tariq war seit langem verstummt. Beim Aufbruch hatte es zwischen ihm und Camino einen Wortwechsel gegeben, an dem er noch immer zu kauen schien. »Ich wähle den Weg für die niña und mich«, hatte er als Letztes hervorgestoßen. »Dabei lasse ich mir von keinem Fremden dreinreden! «
    Es tat ihr weh, dass sich die Stimmung zwischen den beiden Männern erneut verschlechtert hatte, aber sie hoffte, es würde wieder vorübergehen. Tariq war wie ein großer Bruder für sie; ihn liebte sie, seitdem sie denken konnte.
    Und Camino?
    Alles, was er sagte, hatte Bedeutung. Am liebsten hätte sie ihn unablässig berührt, aber das wagte sie nicht. Doch es tat so gut, dass er da war! Seine selbstverständliche Art, mit ihrer Blindheit umzugehen, half ihr, selber weniger damit zu hadern.
    »Ich wünschte, ich hätte mehr von deinen Fähigkeiten...«
    Und er hatte Recht: Man brauchte keine Augen, um zu spüren, wie feindlich dieses menschenleere Hochplateau des Aubrac war. Unterwegs waren ihnen zahlreiche Kuhherden begegnet, starke Tiere mit gebogenen Hörnern. Selbst die gehorsame Walli blieb ab und zu unvermittelt stehen, als scheue sie den weiteren Weg.
    Als die Wolken immer dunkler wurden, brach Camino das Schweigen.
    »Dort drüben ist eine Sennhütte«, sagte er. »Wir sollten dort um Unterkunft bitten und nicht riskieren, wieder bis auf die Haut nass zu werden.«
    »Ich bin dafür«, sagte Pilar. »Mir tut von dem Geschaukel jeder Knochen weh.«
    Tariq beschränkte sich auf ein Brummen.
    Der Geruch war überwältigend, als sie die verwitterte Hütte betraten - Rauch, Molke und Einsamkeit strömten ihnen in einem unverwechselbaren Gemisch entgegen. Der bucklige Senn war wortkarg und, wenn er überhaupt sprach, kaum zu verstehen. Auch Camino hatte Mühe, sich mit ihm zu verständigen.
    Irgendwann schien es doch zu gelingen.
    Als der Regen hart an die Steinwände schlug, standen auf dem Tisch Milch, Käse und Brot bereit. Alle waren so hungrig, dass sie kräftig zulangten, was dem Senn zu gefallen schien und er ihnen schließlich sogar seinen Selbstgebrannten anbot. Camino nahm gerne an, wollte Pilar aber davon abhalten, ebenfalls einen Schluck zu nehmen.
    »Ich will ihn aber versuchen!«, protestierte sie.
    Aus der Ecke des Senn kam unverständliches Gurgeln.
    »Was hat er gesagt?«, wollte sie wissen.
    »Sein Enzian sei die beste Medizin gegen Halsweh und kalte Glieder!«, dolmetschte Camino. »Wenn du also unbedingt willst - aber vorsichtig! Das ist wahres Teufelszeug.«
    Sie schüttelte sich, als sie trank. Es brannte und schien ihren Gaumen zu versengen. Dann jedoch, sehr schnell, spürte sie, dass sie innerlich warm wurde, und verlangte ein zweites Mal danach.
    Zum Schlafen gab es nur den Stall. Nebenan war das träge Schnauben der Kühe zu hören. Auf halbwegs sauberem Stroh streckten die drei sich aus, ganz in der Nähe von Wal- li, die ihre Gesellschaft zu begrüßen schien.
    Von Tariq war schon bald nichts mehr zu hören. Und auch Pilar ließ der ungewohnte Enziangenuss schneller als gewöhnlich einschlafen.
    Camino jedoch blieb wach.
    Er wartete, bis die Atemzüge des Mädchens ganz gleichmäßig geworden waren. Jetzt konnte er endlich tun, was er schon so lange vorhatte.
    Vorsichtig nahm er ihre Hand und streifte den Ring ab.
    Es war dunkel im Stall, aber er brauchte kein Licht, um zu finden, was er suchte. Seine Fingerkuppe ertastete die Gravur auf der Innenseite des breiten Goldreifes, ihm schon vertraut seit seiner Kindheit.
    Baldur von Lichtenfels.
    Kein Zweifel. Alles zusammen ergab ein Mosaik, in dem jeder Stein seinen Platz hatte - ihr Aussehen, der Name und der Ring.
    Sie trug Blancas Ring.
    Seine Augen füllten sich mit Tränen.
     
    *
     
    Kloster San Juan de la Peña, Juni 1246
     
    Der Felsbrocken hing so drohend über dem Kloster San Juan de la Peña, als wollte er es im nächsten Augenblick erdrücken. Es kostete Armando Überwindung, an die Pforte zu klopfen.
    Der

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