Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
entgegentickte, der Dämmerung, der Nacht.
    Dann würde alles seinen Lauf nehmen.

(3)
    Eins
    Bereits lange vor Sonnenuntergang ließ es Joe Bob Rhine für diesen Tag gut sein.
    Er schickte David nach Hause, damit er selbst später auf dem Heimweg seine Ruhe hätte und sich kein kindisches Geplapper anhören musste. Es war ein anstrengender Tag gewesen.
    Während Rhine die Stalltüren schloss und das große graue Vorhängeschloss anbrachte, verglühten die letzten Sonnenstrahlen und wichen der Dunkelheit. Und als schließlich das Schloss zuschnappte, meinte Joe Bob im Gleichklang mit dem Klicken ein Geräusch zu hören – so etwas wie ein Kratzen.
    Bestimmt bloß die Pferde.
    Rhine stapfte heimwärts, zu seinem Haus hinter dem Friseurladen am Ende der Straße. Er hatte einen Bärenhunger. Hoffentlich hatte die Frau was auf den Tisch gestellt. Heute war er nämlich zu müde, ihr erst noch ein paar zu verpassen, um ihr Beine zu machen.
    Kurz nachdem Rhine sein Haus betreten hatte, wo es herrlich nach Bohnen und Maisbrot duftete, erzitterten die Stalltüren unmerklich, und das Vorhängeschloss fiel ungeöffnet in den Staub. Die Türen wurden von einem eiskalten Wind, der ganz kurz die Straße hinabfegte, nach außen aufgestoßen.
    Dann gingen die Türen wieder zu, und das Vorhängeschloss sprang wieder an seinen Platz zurück, und alles war wieder wie zuvor.
    Fast alles.
    Zwei
    Der Hund jagte am liebsten nachts. Er gehörte niemandem. Im Dunkeln trottete er durch die Straßen von Mud Creek, immer wachsam, immer auf der Hut.
    Manchmal schossen die Leute auf ihn, weil es hieß, der Hund sei bösartig, würde den Müll durchwühlen und auch kleineres Viehzeug angreifen.
    Einmal hatte er sich innerhalb eines Jahres durch sämtliche Kaninchenställe des alten Mather gefressen und obendrein seinen preisgekrönten Masteber umgebracht – eine ganz schöne Leistung.
    Er hatte einen kleinen Jungen gebissen, der versucht hatte, ihn mit einem Stock zu schlagen, und alle anderen Hunde im Ort zogen den Schwanz ein, wenn er auftauchte, und nahmen Reißaus. Seit gut einem Jahr trotzte er nun schon allen Gewehrkugeln, Steinen und Flüchen. Er war schlau. Er war nicht totzukriegen.
    Tagsüber versteckte er sich irgendwo. Bei Sonnenuntergang, wenn die meisten Menschen ihr Abendbrot aßen und die Kneipen noch leer waren, kam er in den Ort geschlichen. Eine gute Zeit, um Beute zu machen. Und heute war sein Lieblingsplatz dran. Die Gasse hinter Molly McGuires Café. Da gab es meistens genug schmackhafte Abfälle, außer freitags, denn da kam immer Onkel Bains angefahren und lud alles auf seine Karre.
    Aber heute Abend war der Zeitpunkt günstig. Er roch schon das Chili, die harten Brötchen und die durchgeweichten Pfannkuchen.
    Er kletterte auf einen hölzernen Abfallkübel und warf ihn um, und mit einem lauten Poltern ergoss sich der Inhalt über die ganze Gasse. Der Hund hatte es nicht eilig mit dem Fressen, obwohl ihm der Speichel aus dem Maul lief. Wachsam sah er zum Hintereingang des Cafés, zum einen Ende der Gasse, zum anderen. Niemand.
    Er steckte seinen Kopf in den Kübel, beseitigte mit Zähnen und Klauen Papierreste und Büchsen, um an die guten Sachen zu kommen. Als Erstes fand er einen Pfannkuchen mit Sirup und einem Klecks Chilisauce. Den verschlang er. Bald war er völlig vertieft in die Köstlichkeiten, die man ihm übrig gelassen hatte, und so bemerkte er viel zu spät, dass etwas nicht stimmte.
    Nicht nur der Geruch kam ihm seltsam vor. Auch sein sechster Sinn warnte ihn. Er zog den Kopf aus dem Müllkübel, um sich umzuschauen. Ihm sträubte sich das Fell, und er entblößte lange gelbe, schaumbedeckte Reißzähne und stieß ein tiefes, kehliges Knurren aus.
    In den Schatten bewegte sich etwas Unförmiges.
    Dem Hund gefiel das überhaupt nicht. Was er nun empfand, hatte er zuletzt empfunden, als er noch ein kleiner Welpe gewesen war.
    Furcht.
    Aber Furcht konnte man überwinden. Der Hund ließ sich nicht unterkriegen. Er war groß, und er war kräftig.
    Er machte einen Satz auf das Etwas zu und schnappte mit den Zähnen danach. Bevor er starb, winselte er noch einmal kurz.
    Drei
    Nate Foster war der Dorfsäufer von Mud Creek. Er war der adretteste Säufer auf der ganzen Welt: Stets trug er einen schwarzen Gehrock, sogar bei 38 Grad im Schatten, darunter die Hose eines Nadelstreifenanzugs und als Krönung des Ganzen eine Melone.
    Den anderen Säufern war er bereits sechs Bier- und zwei Whiskyflaschen voraus, weil er zwei

Weitere Kostenlose Bücher