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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Stunden vor ihnen angefangen hatte, und das konnte er sich auch leisten. Anders als die anderen Säufer war Nate Foster, der Säuferkönig von Mud Creek, nämlich gleichzeitig der Bankdirektor von Mud Creek und verdiente damit ein Heidengeld.
    Heute Abend war Nate besonders gut abgefüllt. Er hatte keine Sorgen mehr. Früher als sonst hatte er dem Whisky zugesprochen, und der war recht stark gewesen.
    So begann er nun gut geölt seinen Abendspaziergang – Bessie Jackson, die Schulleiterin, nannte es sein Abendspazierschwanken – in Richtung Molly McGuires Café. Dort würde er ein Steak mit Bratkartoffeln verzehren, hinterher mit reichlich Brötchen den Bratensaft auftunken, und dann wäre er gewappnet für einen ernsthaften Rausch.
    Kurz vor dem Café überkam ihn ein menschliches Bedürfnis.
    Erst pissen. Dann essen.
    Ein bisschen schneller schwankte er in das enge Seitengässchen, durch das man zur Gasse hinter dem Café gelangte. Kaum angekommen (die Hose hatte er sich bereits im Gehen aufgeknöpft), stolperte er über etwas, schlug lang hin und bepisste sich von oben bis unten.
    »Verdammte Scheiße«, murmelte er und stützte sich auf seine Ellbogen. Beinahe wäre ihm ein Schwall Bier mit Whisky hochgekommen.
    Nate rollte sich auf die rechte Seite, um nachzusehen, über was er da gestolpert war. Zu seinen Füßen lag etwas Dunkles, Unförmiges.
    Er griff in seine Tasche, holte ein Streichholz hervor und entzündete es mit viel Mühe an seinem Daumennagel. Dann beugte er sich vor, um die Streichholzflamme näher an den unförmigen Haufen zu halten. Ein Hund. Dieser große Köter, der ihnen allen nichts als Ärger gemacht hatte. Und beim Allmächtigen, die Kehle war ihm rausgerissen worden.
    Schlagartig war Nate wieder nüchtern. Rasch erhob er sich, und dabei beschlich ihn das ungute Gefühl, dass er von jemandem, oder von etwas, beobachtet wurde.
    Er leckte sich die Lippen und drehte sich langsam um.
    Nichts.
    Bloß das Gässchen mit seinen finsteren Winkeln. Unter Molly McGuires Hintertür schimmerte ein schmaler Lichtstreifen hervor und durchschnitt die Dunkelheit wie eine scharfe Rasierklinge.
    Doch das ungute Gefühl wollte nicht weichen.
    Nate war nicht neugierig genug, um sich noch länger in dem Gässchen aufzuhalten und herauszufinden, was los war. Er machte sich auf den Weg zurück zur Straße.
    Und prallte unversehens gegen die Brust eines großen Mannes.
    Nate hob den Kopf. Das Gesicht des Mannes war von einem schwarzen, breitkrempigen Hut überschattet. Es sah aus wie ... aber das konnte nicht sein ...
    Der Mann beugte sich ein wenig herab, und Nate sah das Gesicht des Indianers, nicht allzu gut, aber gut genug, um zu wissen, wen er vor sich hatte.
    »Du«, sagte Nate.
    »Hallo«, sagte der große Mann.
    Nate wollte schreien, doch anstelle eines Schreis ergoss sich ein Schwall Bier mit Whisky aus seiner Kehle über die breite Brust des Indianers.
    »Nicht nett«, sagte der Indianer. »Gar nicht nett.«
    Die großen Hände packten Nate am Kragen seines Gehrocks. Der Indianer zog Nate zu sich heran, beugte sich noch weiter herab, bis sein Gesicht das von Nate beinahe berührte, und lächelte.
    Vier
    Zehn Meilen außerhalb von Mud Creek, im Wald neben dem Postkutschenweg, durchbrach eine langfingrige, feingliedrige weiße Hand den weichen Waldboden. Um sie herum wuchsen noch weitere Hände aus dem Erdboden.
    Schnell wischte sich Millie Johnson die Erde aus dem Gesicht – oder was von ihrem Gesicht noch übrig war. Dann hatte sie beide Hände frei und fegte die dünne Dreckschicht von ihrem Körper.
    Bill Nolan war schon weiter.
    Er saß aufrecht wie ein halboffenes Klappmesser. Ein Klumpen Dreck kullerte ihm aus der leeren Augenhöhle. Ganz beiläufig zog er seine Augenklappe wieder über dem Loch zurecht.
    Neben ihm vibrierte der Boden, als wäre ein Maulwurf am Werk, und schon kam der Glücksspieler zum Vorschein.
    Nolan schlug dem Spieler mit seiner gebrochenen rechten Hand mitten ins Gesicht.
    Der Spieler, dessen Kopf ganz schief saß, weil an seinem Hals ein faustgroßes Stück fehlte, knurrte nur.
    Ganz in der Nähe kroch Lulu aus dem Boden. Ihr Kleid war vom Ausschnitt bis zum Unterleib aufgerissen. Ein Busen fehlte. Offenbar war er ihr abgerissen worden, oder abgekaut. Das kümmerte sie nicht. Sie stand auf.
    Ebenso Jake. Lose Erde bröselte an ihm herab. An seiner Brust hing das kleine Mädchen. Mignon. Sie fiel von ihm herunter wie eine vollgesaugte Zecke und blieb einen Moment lang auf

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