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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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nicht von einer Rückkehr von den Toten.«
    »Dad?«, sagte Abby, »bist du jetzt völlig übergeschnappt?«
    »Vielleicht.«
    »Meinen Sie Vampire?«, fragte der Reverend. »Ghule? Zombies?«
    »Also wissen Sie, wovon ich rede?«
    »Nein, nicht ganz. Ich habe nur ein paar Bücher über volkstümlichen Aberglauben gelesen.«
    »Na schön. Lassen wir den Quatsch. Der Mann, der auf der Hauptstraße auseinandergefallen ist, war schon tot, bevor er umgekippt ist.«
    Stille hing im Raum, so massiv wie ein Amboss.
    »Dad«, flüsterte Abby, »das ist nicht möglich.«
    »Das hab ich mir auch den ganzen Nachmittag lang gesagt. Aber ich habe die Leiche – Proben davon – unter dem Mikroskop untersucht und verschiedene Tests damit gemacht. Das Fleisch war totes, verwesendes Fleisch. Das Sonnenlicht hat den Zerfall nur beschleunigt, aber ich sage euch, dieser Mann war bereits tot. Das hat die Untersuchung der inneren Organe zweifelsfrei ergeben.«
    »Bereits tot. Und das Sonnenlicht hat den Zerfall beschleunigt. Ich muss zugeben, Doc, das kaufe ich Ihnen nicht ab.«
    »Reverend, ich bin kein Quacksalber, und ich bin nicht übergeschnappt. Dieser Mann war schon tot, bevor er umgefallen ist. Die Sonne hat der Leiche den Garaus gemacht, sodass er wie Eiscreme weggeschmolzen ist. Eine solche Krankheit gibt es nicht.«
    »Jetzt vielleicht schon«, sagte Abby.
    »Wenn du die Untoten als Kranke bezeichnen willst, dann ja. Hört mir zu, alle beide. Reverend, Sie wissen ganz genau, dass ich da auf etwas gestoßen bin. Das seh ich in Ihren Augen. In diesem Städtchen geht irgendwas vor sich, irgendwas bläst hier durch wie ein kalter Winterwind. Wollen Sie das abstreiten?«
    »Kann ich gar nicht«, sagte der Reverend. »Mit diesem Ort hat es irgendetwas auf sich, und mir ist klargeworden, dass es irgendwie auch mich betrifft. Der Herr hat mich hierher geführt – wozu, weiß ich noch nicht. Aber lebende Tote? Ghule? Vampire?«
    »Ich will Ihnen was über Mud Creek erzählen, Reverend. Auf dem Ort liegt ein Fluch, und ich fürchte, alles und jedes hier wird ihm zum Opfer fallen wie eine reife Tomate dem Ungeziefer. Reverend, in dem Moment, als ich Sie das erste Mal gesehen habe, wusste ich gleich, dass Sie auch damit zu tun haben. Wieso ich das wusste, weiß ich nicht, aber ich wusste es. Gerade so, als wären Sie nur die letzte fehlende Zutat zu einem Gulasch, die letzte Chilischote. Dieser Ort ist dem Verderben geweiht, und das hat mit einem Indianer und seiner Frau zu tun.«
    »Dad«, sagte Abby, »fang nicht wieder damit an.«
    »Doch. Das muss ich. Lasst mich die Geschichte einfach erzählen und was ich darüber denke, und wenn ich damit fertig bin, dann könnt ihr beide mich für verrückt erklären und euch davonmachen und mir aus dem Weg gehen; ich würde es verstehen. Und Reverend, wenn Sie mir doch glauben und sich dann schleunigst auf Ihr Pferd setzen und ohne einen Blick zurück von hier verschwinden, dann habe ich auch dafür Verständnis. Aber bevor ihr euch ein Urteil über meinen Geisteszustand erlaubt, hört euch erst mal meine Geschichte an. Im Grunde hoffe ich ja, dass ihr mir hinterher sagen könnt, ich habe nur Mist im Kopf, und dass ich euch das am Ende auch noch glaube – ja, das hoffe ich vielleicht am allermeisten.«
    Doc zog eine Schreibtischschublade auf und nahm eine Whiskyflasche mit drei kleinen Gläsern heraus. Abby und der Reverend lehnten ab. Doc nickte und schenkte nur sich selbst ein. »Wird mir helfen«, sagte er, und dann begann Doc, seine Geschichte zu erzählen.

(5)
    Docs Geschichte
    Vor etwa einem Monat kam ein Wagen bei uns in die Stadt reingerollt. Ganz bunt angemalt. Rot und gelb, mit ineinander verschlungenen blauen und grünen Schlangen auf den Seiten. Und ganz oben stand in schwarzer Schrift: MEDIZIN-WAGEN. Ein Indianer hielt die Zügel. Vielleicht ein Mischling, er hatte auch etwas von einem Schwarzen. Schwer zu sagen. So einer wie er war mir noch nie begegnet. Er hatte breitere Schultern als irgendein anderer Mann, den ich je gesehen hab, und war bestimmt zwei Meter groß.
    Er hatte eine Frau bei sich. Eine Farbige. Mit hellbrauner Haut, um genau zu sein. Eine echte Schönheit. Aber sie waren eben ein Indianer und eine Farbige, und damit hatten sie bei vielen Leuten hier in der Gegend schon von vorneherein schlechte Karten. Wenn sie nicht so eine Kuriosität gewesen wären, in diesem toten Landstrich hier, dann hätte man sie vielleicht gleich am ersten Abend davongejagt.
    Die Negerin

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