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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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deiner Mutter gegenüber, Abby. Ich ging einfach weg und ließ mich dort auch nie wieder blicken. Ich wollte nicht, dass dieser Indianer auf mich herabschaute und genau sah, was ich wirklich dachte. Und ich wollte auch nicht mehr diese schöne Negerin anglotzen und dabei genau wissen, dass ich nie was mit ihr haben würde.
    Nachts habe ich von ihr geträumt, und was für Träume, könnt ihr euch bestimmt vorstellen. Darin hab ich sie so heftig geliebt – entschuldige bitte, dass ich über so was rede, Abby, aber das gehört zu der Geschichte dazu –, dass ich davon am Ende einen Herzinfarkt bekam, in ihren Armen. Und dann bin ich verschwitzt aufgewacht, mit schlechtem Gewissen meiner toten Frau gegenüber – Gott hab sie selig.
    Das alles erzähle ich, damit Sie sich ungefähr vorstellen können, was für eindrucksvolle Gestalten diese beiden waren.
    Sie waren also seit einer Woche hier, oder etwas länger, und dann kam der Regen. So ein spätsommerliches Regenwetter, das kein Ende nimmt. Zuerst ist man froh darüber. Die Felder brauchen das Wasser, und nachts wird es etwas kühler. Aber dann wurde der endlose Regen zur Plage. Die Straßen wurden matschig, es regnete immer weiter, die Leute fingen sich eine Sommergrippe ein, gingen damit natürlich zum Indianer, der ihnen Heilmittel verkaufte – und dann wurde das kleine Mädchen der Webbs krank.
    Ich weiß noch, wie ich zum ersten Mal davon hörte. Ich war nicht mehr oft in der Praxis. Meistens hing Abby noch hier herum, falls doch mal jemand einen Splitter rausgezogen haben wollte oder so. Aber mich trieb es in den Saloon rüber, wo ich mir halt ein paar Drinks genehmigte. Dort verplemperte ich immer öfter meine Zeit. Mehr Zeit als jemals zuvor. Ich kann Ihnen sagen, vom Hochgefühl, ein kleiner Halbgott mit einer schwarzen Tasche zu sein, war ich abgestürzt und hatte nur noch das Selbstwertgefühl eines unfähigen alten Mannes, der nicht mal einem Medizinmann das Wasser reichen kann. Hört sich in Ihren Ohren vielleicht verrückt an, aber ich hab mehr als einmal dieses Gewehr da drüben von der Wand genommen, mir den Lauf unters Kinn gehalten und überlegt, wie ich mit dem großen Zeh den Abzug drücken soll. Wenn ein Mann merkt, dass er nutzlos ist, besonders in meinem Alter, wo er nicht noch mal ganz von vorne anfangen und einen ganz anderen Weg beschreiten will, dann überlegt er sich schon, ob es nicht besser wäre, dem Elend ein Ende zu machen.
    Der gesunde Menschenverstand hat mich wohl davor bewahrt, und die Sorge um Abby. Und vor allem die Hoffnung, dass die beiden irgendwann einfach ihren Kram packen und weiterziehen würden, und dann würden die ganzen Leute wieder zu mir kommen, und für mich wäre wieder alles wie früher.
    Ich saß also an der Bar und trank, als David Webb reinkam. Er sah schrecklich aus. Vollgespritzt mit Matsch vom ständigen Regen, das Gesicht verhärmt, zum Umfallen müde.
    Innerlich war ich wohl immer noch ihr Hausarzt, also trat ich zu ihm und sagte ihm, dass er nicht sonderlich gesund aussah. Er meinte, das wäre, weil er die ganze Nacht wach gewesen sei, bei Glenda, die schwer krank sei und der es immer schlechter gehe.
    Natürlich hab ich ihn da gefragt, warum er mit ihr denn nicht zu mir gekommen sei, und da machte er ein ganz komisches Gesicht, wie ein Hund, dem man ohne jeden Grund einen Tritt verpasst hat und der den Schwanz einzieht und sich unter der Treppe verkriecht.
    »Na ja, Doc«, sagte er, »ich hab halt gedacht, wir bringen sie besser zum Indianer.« Dann entdeckte er an einem Tisch jemanden, den er dringend sprechen wollte, und ließ mich stehen. Und ich ließ mich volllaufen.
    In jener Nacht – es war bestimmt nach Mitternacht – schlägt jemand gegen meine Tür, ich gehe hin und mache auf, und da steht David mit seiner Frau, und er hält die kleine Glenda in den Armen, so leblos wie ein nasses Handtuch. Ich hab schon genug Tote gesehen, um auf den ersten Blick zu erkennen, dass die Kleine gerade gestorben ist, aber ich hab sie reingebeten und hab für das Kind getan, was ich konnte – das heißt, gar nichts. Woran ich mich aus dieser Nacht vor allem erinnere, ist, wie Webb laut geweint hat.
    Anscheinend hatte er das kleine Mädchen mit Atembeschwerden – einer Lungenentzündung, vermute ich mal – zu dem Indianer gebracht, und der hatte ihnen irgendein Zeug verkauft, das sie ihr verabreicht haben, worauf sie prompt gestorben ist. Und dann erst haben sie sie zu mir gebracht. Nach meiner Schätzung

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