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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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war sie gerade ein paar Stunden tot, so lange, wie die Webbs ungefähr brauchten, um von ihrer Farm zu mir in die Stadt zu fahren.
    Aber ich mach’s kurz, Webb drehte durch. Er ging rüber zum Saloon, wo genug Besoffene und Halbbesoffene rumsaßen, die für alles zu haben waren. Caleb war sofort Feuer und Flamme, schwang gleich große Reden über die Hinterlist der farbigen Rassen und dergleichen, und schon rottete sich der Mob zusammen. Alles, was sie den beiden an Gutem verdankten, war plötzlich vergessen. Keine Rede mehr davon, dass sie oft genug halbe Wunder gewirkt hatten, dieses eine tote weiße Mädchen war alles, was die wütende Menge brauchte.
    Zu allem Übel wollte der Indianer ausgerechnet in der Nacht weiterziehen, das sah gar nicht gut aus. Sah aus, als hätten sie die Kleine absichtlich vergiftet und wollten sich nun aus dem Staub machen. Zumindest wollte die aufgebrachte Meute es so sehen.
    Sie holten die beiden ein und zerrten sie vom Wagen – aber erst, nachdem der Indianer Cane Lavel das Genick gebrochen und Buck Wilson den Kiefer zerschmettert hatte. Wie ich hörte, waren ein Dutzend Männer nötig, um ihn niederzuprügeln, mit Knüppeln und Pistolengriffen und ähnlichem. Sie verprügelten auch die Frau und zündeten den Wagen an.
    Dann kam Matt dazu. Er hatte davon erfahren, was die Meute vorhatte, und war ihnen hinterhergeritten. Jetzt feuerte er seinen Revolver ab, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und redete ihnen ins Gewissen. Für kurze Zeit konnte er die Menge beruhigen und brachte das Paar in Sicherheit, nämlich zu sich ins Gefängnis.
    Doch Caleb gab nicht klein bei, und Webb war das Gesetz scheißegal – Auge um Auge –, also stachelten sie die Menge wieder auf, und alle gingen zum Gefängnis und forderten die Herausgabe des Indianers und der Negerin.
    Matt versuchte, ihnen standzuhalten, knickte aber ein. Irgendwie scheint Caleb ihn in der Hand zu haben, jedenfalls gab er nach, und sie schleppten den Indianer und seine Frau davon, fuhren sie in einem Wagen aus der Stadt raus.
    Bedenken Sie, alles, was ich Ihnen da erzähle, hab ich mir aus den Berichten anderer zusammengereimt, und diese Berichte werden ab einem bestimmten Punkt sehr vage, weil sich die Leute wahrscheinlich schämen und das Ganze am liebsten vergessen würden, aber nicht vergessen können. Ich stelle mir auch gerne vor: Wenn ich bloß gewusst hätte, was da vor sich ging, dann hätte ich mir die alte Flinte geschnappt, die dort an der Wand hängt, wäre damit nach draußen gegangen und hätte versucht, das Schlimmste zu verhindern. Ja, so stelle ich mir das gerne vor.
    Caleb und ein paar andere zerrten die Frau ins Gebüsch und fielen über sie her, sie schnitten ihr die Brüste ab und die Ohren, verstümmelten sie, und dabei schrie sie so laut, dass der Indianer – der an Händen und Füßen gefesselt hinten auf dem Wagen lag – es genau hören konnte. Nicht alle von uns waren dabei, verstehen Sie, aber diejenigen, die da waren, machten alle mit, und keiner rührte einen Finger, um Caleb oder die anderen an irgendwas zu hindern. Alle wurden vom Mob mitgerissen.
    Endlich starb die Frau, und dann war der Indianer dran. Sie schmissen, was von ihr noch übrig war, neben ihn auf den Wagen, und Hirem Wayland – der mir das meiste davon erzählt hat – sagte, dass der Indianer dabei nicht mal mit der Wimper zuckte. Sondern nur die Leiche seiner Frau ansah und dann den Blick über die Menge schweifen ließ, einen eiskalten Blick.
    Sie rissen ihn vom Wagen, schleiften ihn zu einer mächtigen Eiche, setzten ihn auf ein Pferd und schlangen ihm ein Seil um den Hals. Er starrte sie bloß an.
    »Wir haben euch nichts getan«, sagte der Indianer zu ihnen.
    Webb schrie Zeter und Mordio wegen seiner toten Tochter und dass sie sie vergiftet hätten, und der Indianer sagte: »Sie ist nicht tot. Meine Frau ist tot, aber Ihre Tochter ist nicht tot.«
    Webb – völlig überzeugt davon, dass seine Tochter tot war – überhäufte den Indianer mit unflätigen Beschimpfungen, bis dieser begann, Mud Creek und alle seine Bewohner zu verfluchen. Als er seinen Fluch aussprach, so erzählte Hirem, wurden alle ganz still, bis auf die Grillen, die im Hintergrund so laut zirpten, als wollten sie seine Worte mit ihrem Chorgesang begleiten. Der Indianer rief, er sei ein mächtiger Mann, und er sage sich los von der Seite des Lichts und erbitte die Hilfe der dunklen Seite. Schlimmes Leid würde die Gemeinde heimsuchen. Und dergleichen

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