Straße der Toten
die geweihte Erde berührten.
Doch der Indianer lächelte. Auf seiner Schulter saß, als wäre sie ein abartiger Papagei, das kleine Mädchen mit seiner Puppe und schnatterte wie ein Äffchen.
Hinter dem Indianer mit dem Mädchen drängten sich die Toten. Sie leckten sich über die Lippen und grunzten gierig.
»Die gehören mir«, sagte der Indianer, und die Toten zogen sich zurück.
Der Indianer starrte den Reverend an, als wolle er ihm zeigen, dass weder Kirche noch Kreuz ihn aufhalten konnten. »Schöne Grüße aus der Hölle, Prediger«, sagte er und warf das riesige Kreuz auf David und den Reverend.
Es landete genau da, wo der Reverend gestanden hatte, und sein unteres Ende krachte auf die letzten beiden Treppenstufen und zermalmte sie zu Kleinholz.
Der Reverend riss seinen Navy hoch, und ein Schuss mitten in die Stirn fegte das kleine Mädchen von der Schulter des Indianers. Ihre Puppe kam die Treppe heruntergepurzelt.
»Wie edelmütig«, sagte der Indianer. »Er bewahrt ein kleines Kind vor der Hölle.« Und dann dehnte er die Worte: »Aber wer wird dich davor bewahren?«
Der Indianer nahm die erste Treppenstufe.
Vielleicht war es reiner Instinkt, vielleicht das Bedürfnis, irgendetwas zu tun, obwohl alles nutzlos war – der Reverend verpasste dem Indianer eine Kugel in die Stirn. Sie hinterließ ein Loch, aber der Indianer nahm ungerührt die nächste Treppenstufe.
Da sah der Reverend das spinnenförmige Geburtsmal auf der Brust des Indianers und wusste sogleich: Sein Traumgesicht war wahr geworden. Im Traum hatte ihn die Spinnenkreatur verschlungen, symbolisch, und in gewisser Weise würde genau dies nun in der Wirklichkeit geschehen.
Die Augen des Reverend hefteten sich auf das Spinnenmal, und wieder überfiel ihn das Grauen aus seinen Träumen – der lange Stechkahn, der schwarz gekleidete Fährmann, und wie sie langsam in den Schlund der Spinne glitten, ihrem Untergang entgegen.
Da kam ihm ein Gedanke. Vielleicht hatte ihm der Herr ja, indem er ihm im Traum das Böse zeigte, zugleich auch die Achillesferse des Bösen offenbart.
Er verpasste auch dem Spinnenmal auf der Brust des Indianers eine Kugel.
Nein. Der Indianer lachte bloß.
Und bewegte sich. Bewegte sich so schnell wie der Blitz, stürzte sich auf den Reverend, packte ihn mit einer seiner riesigen Hände an der Gurgel, hob ihn empor und sah ihm direkt in die Augen.
Hinter den toten Augen des Indianers loderte das Feuer des Dämons, und dort erblickte der Reverend auch das zerschmolzene Bleischrot von Matts Flinte, die Ein- und Austrittslöcher der Kopfschüsse, die verschmorte Hanfschlinge um den Hals des Indianers, das Spinnenvieh auf seiner Brust – das dort im Dunkeln umherzukrabbeln schien.
Der Reverend atmete stoßweise. Die Zunge hing ihm aus dem Mund. Seine Füße zappelten in der Luft. Seine Revolverhand schlenkerte hilflos an seiner rechten Seite und stieß dabei immer wieder gegen etwas in seiner Manteltasche ...
DIE KLEINE BIBEL.
Heilige Gegenstände, hatte Doc gesagt – wenn man festen Glaubens ist, dann waren sie mächtig.
Der Reverend warf den Revolver in seine Linke hinüber, holte die Bibel mit seiner freien Rechten aus der Tasche und stieß sie dem Indianer ins Gesicht, während er Gott den Allmächtigen anrief, stumm, in Gedanken, denn zu mehr war er nicht mehr fähig.
Als die Bibel das Gesicht des Indianers berührte, ging sie in Flammen auf und brannte dem großen Mann das rechte Auge aus.
Mit einem Grunzen riss der Indianer den Kopf herum, und die Bibel flog von seiner Wange quer durch den Raum bis zu einer Kiste, wo sie abprallte und als qualmendes Häuflein zu Boden fiel.
Aus der leeren Augenhöhle kräuselte sich ein Rauchfähnchen, und eine plötzliche Ruhe überkam den Indianer. Er lächelte den Reverend an und sagte: »Ach, du kleiner Mann.«
Dann öffnete er den Mund. Sein Kiefer renkte sich aus.
All dies geschah in Sekundenschnelle, und David, der bisher bloß wie gelähmt danebengestanden hatte, setzte sich mit einem Mal in Bewegung und schlug auf das Bein des Indianers ein.
Der Indianer schleuderte ihn mit einer raschen Handbewegung in eine offene Kiste, als wäre er nichts weiter als ein lästiges Hündchen, das sein Bein bespringen wollte.
David rappelte sich wieder hoch und zog das Jagdmesser aus der Tasche. Im Vorwärtsstürmen klappte er es auf und rammte es dem Indianer ins Bein.
Diesmal versetzte ihm der Indianer mit seiner freien Hand einen noch heftigeren Schlag, und David
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