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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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knallte mit solcher Gewalt gegen eine Kiste, dass er nur noch an ihrer Seitenwand herabglitt.
    Der Reverend verlor allmählich das Bewusstsein. Er blickte in den riesigen aufgerissenen Mund, die unglaublichen Zähne wurden immer größer, schon stieg ihm der Geruch des Todes in die Nase, der aus diesem Schlund des Verderbens zu ihm aufstieg und ihn einhüllte wie eine riesige stinkende Nachtmütze. Und dann, kurz bevor er endgültig in der Schwärze versank, sah er aus dem linken Augenwinkel einen Sonnenstrahl, kaum mehr als eine dünne Nadel aus Licht, aber immerhin.
    Trotz der Schmerzen drehte er den Kopf so weit nach links, wie es der Griff des Indianers zuließ, und sah am äußersten Rand seines Blickfelds die gespannte Schnur, die den Vorhang am Fenster geschlossen hielt.
    Der Indianer wollte gerade das Gesicht des Reverend verschlingen, als dieser die linke Hand hob, den Revolver abfeuerte, danebenschoss (Glas klirrte), ein zweites Mal feuerte und damit die Schnur durchtrennte.
    Wie ein Schwertstreich fiel ein Streifen Licht herein und wurde immer breiter, als der Vorhang gänzlich zur Seite schwang. Die Schwärze in dem Kellerraum wich goldener Helligkeit.
    Die Zombies am oberen Rand der Treppe kreischten im Chor auf, denn nicht nur von unten aus dem Vorratsraum erreichte sie das Tageslicht, sondern auch in ihrem Rücken war es unbemerkt herangekrochen. Hals über Kopf versuchten sie zu fliehen. Den Indianer, der sich für den Todesbiss vornübergebeugt hatte, traf das Sonnenlicht wie ein Schlag ins Gesicht. Er schrie auf und stieß den Reverend von sich, in eine Kiste hinein, dann drehte er sich um und rannte mit Riesenschritten die Treppe hinauf. Von seinem Rücken stieg schwarzer Rauch auf.
    »Alles okay, Reverend?«, fragte David und half ihm auf.
    »Ja. Dank deiner Hilfe. Du hast ihn abgelenkt.«
    »Ich hab doch kaum was gemacht. Toller Schuss!«
    »Ja«, gab der Reverend zu. »Nicht schlecht, was?«
    Er verstaute den Revolver wieder in seiner Gürtelschärpe, und gemeinsam gingen sie, ohne Eile, die Treppe hinauf.
    Die Kirche brannte. Zombies waren, getroffen vom Sonnenlicht, in Flammen aufgegangen, drängten sich nun in wilden Haufen zwischen den zertrümmerten Kirchenbänken, und einige waren an den Wänden zu Boden gegangen und hatten diese in Brand gesteckt.
    Inmitten des Kirchenschiffs stand der Indianer. Er mühte sich, seine Beine zu bewegen, doch sie schmolzen wie Kerzenwachs dahin, flossen ihm aus den Hosenbeinen, füllten seine Stiefel bis zum Überlaufen.
    Er kippte vornüber, mit dem Gesicht nach unten, die Arme ausgestreckt wie am Kreuz. Inzwischen brannte die Kirche lichterloh. Das Feuer loderte die Wände empor und breitete sich über die Dachbalken aus. Das alte Dach ächzte bedrohlich.
    Der Reverend und David rannten los. Sie sprangen über den zerfließenden Indianer hinweg, zuerst der Reverend, dann David – und eine Indianerhand schoss vor, bekam den Jungen am Knöchel zu fassen und hielt ihn fest. David schlug lang hin. Der Reverend fuhr herum und sah mit an, wie die zerstörte, geschwärzte Fratze des Indianers erneut die Kiefer spreizte; durch Lücken in seinen Wangen schimmerte das Gebiss, und wie ein grauenhaftes Kriechtier schob sich der Indianer vorwärts und schlug die Zähne über Davids Gesicht zusammen.
    Zu spät sprang der Reverend hinzu und versetzte dem Kopf des Indianers einen Tritt, sodass er zu Asche zerfiel wie ein verbrannter Papierball, und die Zähne sich wie vergammelte Pfefferminzbonbons über die rauchenden Überreste der anderen Zombies auf dem blutgetränkten Boden verteilten.
    Als der Reverend sich schweren Herzens wieder zu David herumdrehte, starrte ihn der Junge aus schreckensgeweiteten Augen an.
    Der Reverend kniete sich neben ihn hin, um ihm aufzuhelfen.
    »Hat keinen Zweck«, sagte David. »Ich bin hinüber. Töten Sie mich.«
    Das brachte der Reverend allerdings nicht übers Herz. Zwar wusste er genau, was zu tun war. Seinen leergeschossenen Revolver nehmen und dem Jungen damit ohne Vorwarnung den Schädel einschlagen. Aber das brachte er einfach nicht fertig.
    Er schlang David einen Arm um die Hüfte und stützte ihn, und vorbei an brennendem Holz und brennenden Zombieleibern gingen sie nach draußen. Als sie am Fuß der Kirchentreppe angelangt waren, hatte das Feuer vollständig von der Kirche Besitz ergriffen, und hinter ihrem Rücken leckte eine Flammenzunge aus der offenen Pforte.
    Der Reverend legte den Jungen neben die Kiste, in der sich die

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