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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Spuren, die Jebidiah nicht erkannte. Er betrachtete sie eine Weile eingehender, gab dann aber den Versuch auf, sie zuzuordnen. Eins war ihm allerdings klar. Die Spuren stammten nicht von einem Menschen und auch nicht von einem Tier. Sondern von etwas ganz anderem.
    Hier war er richtig – an jedem Ort, wo das Böse lauerte, war er richtig. Denn er war der Sendbote Gottes, dieses himmlischen Hurensohns. Jebidiah wünschte, er wäre ihn los. Manchmal dachte er sogar, dass er als Helfer des Teufels ein leichteres Leben hätte. Andererseits hatte er früher einmal einen flüchtigen Blick auf die Hölle erhascht, und sie war nicht sonderlich verlockend gewesen. Der Teufel war ganz nach Gottes Geschmack, denn Gott liebte die Hölle genauso wie den Himmel. Das war Gottes Spiel – Himmel und Hölle, Gut und Böse. Mehr war es nicht, nur ein Spiel, und deshalb verabscheute und fürchtete Jebidiah den Herrn. Er war erwählt worden zum Kämpfer Gottes gegen das Böse, und er konnte seinen Auftrag nicht ablehnen. So lief das mit Gott nicht, denn der Herr war hundsgemein. Er hatte die Menschen erschaffen und ihnen einen freien Willen gegeben. Doch die Sache hatte einen Haken. Anstatt es ihnen leicht zu machen, wie jeder wahrhaft gütige Schöpfer es getan hätte, ließ Gott zu, dass es das Böse gab, die Sünde, die Hölle und den Teufel, und schob jegliche Schuld auf die Menschen. Die Wahl, die Gott den Menschen ließ, war einfach. Tut, was ich sage, auch wenn ich es euch noch so schwer mache. Das ergab keinen Sinn, aber so war es nun mal.
    Jebidiah band sein Pferd in einem der Verschläge fest, nahm eine Heugabel und wendete damit das Heu, bis er mitten in einem Haufen noch etwas Brauchbares davon zum Verfüttern fand, spießte es auf, schüttelte den Staub ab und warf es zu seinem Pferd in den Verschlag. Es war kein tolles Futter, aber zusammen mit dem Getreide, das er in einem Säckchen am Sattel befestigt hatte, würde es schon gehen. Während das Pferd fraß, stellte Jebidiah die Heugabel beiseite, nahm dem Pferd den Sattel ab und hängte ihn über die Wand des Verschlages. Dann nahm er seinem Gaul das Zaumzeug und die Zügel ab, weswegen der seine Mahlzeit kurz unterbrechen musste, warf beides ebenfalls über die Holzwand, ging dann nach draußen und schloss das Tor. Er ließ sein Pferd in diesem trostlosen Stall nicht gerne unbeaufsichtigt, aber er war auf etwas Böses gestoßen und musste die ihm zugedachte Aufgabe erfüllen. Er wusste noch nichts Genaues, aber er konnte das Böse spüren. Diese Gabe, oder vielleicht eher diesen Fluch, hatte Gott ihm für seine Sünden auferlegt. Dieses Gespür, dieser Sinn für das Böse, hatte sich in dem Moment geregt, als er in die Geisterstadt Falling Rock hineingeritten war. Er wollte wieder davonreiten, aber dazu war er nicht in der Lage. Er musste tun, was immer getan werden musste. Doch zuerst wollte er für sich und sein Pferd Wasser auftreiben, das Pferd striegeln und sich dann einen sicheren Platz zum Schlafen suchen, so sicher, wie es eben ging.
    Jebidiah schritt zügig die Straße entlang. Obwohl es Herbst war, schwitzte er. Die Luft war feucht, und es wehte ein heißer Wind. Am Ende der Straße drehte er schließlich wieder um und stapfte zum Gentleman’s Hotel zurück. Neben der umgestürzten Postkutsche blieb er kurz stehen, warf einen Blick darauf und betrat dann das Hotel.
    Es bestand kein Zweifel, dass er in einem Bordell gelandet war. Es gab eine Bar und mehrere Nischen, Pferdeboxen nicht unähnlich. So etwas hatte er schon einmal gesehen, und zwar in der Nähe der mexikanischen Grenze. In diesen Separees arbeiteten Frauen. Vielleicht hatte es rundherum Vorhänge gegeben, die die Frauen von der Taille abwärts verbargen. Doch in jeder Nische ging es ums Geschäft. Die Frauen rafften ihre Röcke, und die Cowboys konnten für zwei Bits ihre Pfeifenstiele durchputzen und ihre Laune aufbessern und wurden noch von ihren Kameraden angefeuert, während sie auf den Huren ritten wie auf bockenden Pferden. Oben in den Betten arbeiteten die besseren Mädchen, die für einmal in den Laken Herumwälzen fünf Yankee-Dollar bekamen.
    Jebidiah trat hinter die Bar und sah auf dem unteren Regal jede Menge Whiskyflaschen stehen. Er nahm eine davon und hielt sie gegen das Licht. Sie war noch voll und verkorkt. Er stellte die Flasche auf die Bar und entdeckte dann einige Bierflaschen mit Bügelverschlüssen, von denen er sich auch welche nahm. Er lud sich die Beute auf die Arme und

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