Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
Mittagessen.
    Sie kletterten noch ein paar Mal auf die Kutsche und schauten durchs Fenster. Auf einen davon wollte ich eindreschen, hab ihn aber verfehlt. Das Ding hätte mich beinahe mit seinem haarigen Arm und den riesigen Klauen zerquetscht, aber dann war durchs Fenster ein rosa Licht zu sehen, und draußen wurde es still. Ich wollte rausklettern, schaffte es aber nicht. Ich hatte zu viel Angst und war auch viel zu erschöpft. Sogar mehr, als ich gedacht hatte. Ich träumte, dass ich wach war. Mir war nicht klar, dass ich schlafe, bis Sie aufgetaucht sind. Gut, dass ich den Schirm hab fallen lassen, als ich eingeschlafen bin, sonst hätten Sie ihn in die Rippen oder ins Auge gekriegt.«
    Jebidiah nahm den Schirm und schaute ihn sich an. Er war zerfetzt, an einigen Stellen zerbrochen; die Spitze bestand aus Holz. Er berührte sie mit den Fingern. Eichenholz. Er gab den Schirm zurück. »Die Spitze ist scharf«, sagte er.
    »Ist mir vor einiger Zeit abgebrochen. Hab sie nie reparieren lassen.«
    »Glück gehabt. Die abgebrochene Spitze war eine gute Waffe.«
    Mary sah zum Fenster. »Es wird dunkel. Wir müssen von hier weg.«
    Jebidiah schüttelte den Kopf. »Nein, ich muss hier bleiben. Aber Sie sollten von hier verschwinden. Ich gebe Ihnen sogar mein Pferd.«
    »Ich weiß nicht, warum Sie bleiben müssen, und das geht mich auch nichts an, aber ich sag Ihnen, wie es ist. Mich hält nichts mehr hier. Letzte Nacht hatte ich einfach Glück. Ich glaube, das Tageslicht hat sie verscheucht. Wenn es noch länger dunkel geblieben wäre, wär ich jetzt nicht hier. Ich wär nur noch ein Scheißhaufen, verdaut und irgendwo auf einem Hügel ausgekackt, oder vielleicht würd ich auf irgendeinem Weg liegen und die Fliegen anlocken. Ich nehm Sie wegen dem Pferd beim Wort, Mister. Aber ich will sofort los. Und ich sag Ihnen, Sie sollten hier verdammt noch mal nicht zu Fuß unterwegs sein. Auch nicht auf ’nem Pferd oder in ’ner Kutsche oder sonstwie. Sie müssen mit mir aus der Stadt verschwinden.«
    »Ich werde von hier verschwinden, wenn meine Arbeit getan ist.«
    »Was für ’ne Arbeit?«
    »Seine Arbeit. Die Arbeit ... Gottes.«
    »Sind Sie so was wie ein Priester?«
    »So was in der Art.«
    »Wenn Sie das sagen, wird’s wohl so sein. Ich bete nicht viel zu Gott. Er hat noch keins meiner Gebete erhört.«
    »So viel ich weiß, hat er noch nie eins erhört«, sagte Jebidiah.
    Dunkelheit senkte sich auf die Straßen herab, während Jebidiah und Mary das Hotel verließen und schnell auf die Scheune zuliefen. Die drückende Schwüle hatte sich gelegt und war einer kühlen Brise gewichen. Bis sie die Pferdestation erreicht und Jebidiah das Pferd gesattelt hatte, war es bereits stockdunkel.
    Jebidiah führte das Pferd nach draußen und schaute zu dem Wald hinüber, der hinter der Ortschaft lag. Schwarze Schatten lauerten zwischen den Blättern und Ästen.
    »Ich geh nirgendwo mehr hin«, sagte Mary. »Ich hab zu lang gewartet. Schlimm genug, dass es dunkel ist, aber ich allein da draußen, ohne jemand, der mir hilft? Verdammt soll ich sein, wenn ich das riskiere. Lieber bleib ich bis zum Morgen hier und verschwinde dann. Wenn ich dann noch lebe.«
    »Wahrscheinlich haben Sie recht«, sagte Jebidiah. »Es wäre nicht gut, wenn Sie jetzt aufbrechen würden. Am besten kehren wir ins Hotel zurück.«
    Sie gingen die Straße wieder hinunter, und Jebidiah führte das Pferd am Zügel. Plötzlich löste sich eine dunkle Wolke aus dem Wald und verdeckte die Mondsichel, legte sich über die Stadt und zerstob dann, wobei in alle Richtungen Schatten davonjagten.
    »Was zur Hölle ist das?«, fragte Mary.
    »Der Mantel der Finsternis«, antwortete Jebidiah und ging schnell weiter. »Der erscheint manchmal, wenn ein Ort vom Bösen erfüllt ist.«
    »Es ist kalt.«
    »Merkwürdig, oder? Es kommt vom Teufel, aus den Eingeweiden der Hölle, und doch ist es kalt.«
    »Ich habe Angst«, sagte Mary. »Sonst bekomm ich nicht so schnell kalte Füße, aber von dem Mist hier geht mir der Arsch auf Grundeis.«
    »Am besten denken Sie nicht an die Angst«, sagte Jebidiah. »Denken Sie lieber ans Überleben. Gehen wir zurück ins Hotel.«
    Als sie das Hotel wieder betraten, war es voller Geister.
    Jebidiah versuchte, sein Pferd hineinzuführen, doch es zerrte an den Zügeln und sträubte sich.
    »Ruhig, mein Junge«, sagte Jebidiah und streichelte es, und das Pferd beruhigte sich ein wenig. Während Jebidiah weiter auf sein Pferd einredete, beobachteten

Weitere Kostenlose Bücher