Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Guppy, der in einem Aquarium nach Luft schnappt.
»Warum hat Remeta ihn hier liegen lassen?«, fragte der Sheriff.
»Um mich bloßzustellen.«
»War Gable einer der Cops, die Ihre Mutter umgebracht haben?«
»Er sagte zu mir, ich hätte keine Ahnung, was vor sich geht. Er wusste, dass sich Johnny mit jemandem einig geworden ist.«
»Mit wem?«
Als ich nicht darauf einging, sagte der Sheriff: »Was für ein Tag. Ein missbrauchtes und geschändetes Mädchen wird hingerichtet, und wir brauchen erst einen Psychopathen, um einen korrupten Cop loszuwerden. Können Sie das auch nur annähernd begreifen?«
Ich schlug den Kofferraumdeckel zu.
»Ja, wenn man sich vorstellt, dass dieser Planet ein großes, blaues Irrenhaus ist«, sagte ich.
34
A ls Polizist habe ich schon vor Jahren die Erfahrung gemacht, dass für alle abartigen Menschen grundsätzlich eines gilt: Man weiß von vornherein, wie sie sich verhalten werden. Ihr Untergang rührt nicht von ihrem Mangel an Intelligenz oder Einfallsreichtum her. Sie benehmen sich wie Motten, die in der Flamme leben wollen – sie werden von einer Besessenheit und einem Verlangen umgetrieben, das niemals gestillt werden kann, die Rache, die sie an der Welt üben, genügt ihnen nie.
Johnny Remeta rief an diesem Nachmittag um zwei im Büro an.
»Wie hat Ihnen Ihr Junge gefallen?«, fragte er.
»Sie haben drei Cops umgebracht, Johnny. Ich glaube nicht, dass Sie im Gefängnis ankommen.«
»Die haben’s alle drauf angelegt. Oder stimmt das etwa nicht?«
»Sie sind reingelegt worden, mein Junge.«
»Alafair möchte doch Drehbuchautorin werden«, sagte er nach einem kurzen Zögern. »Sagen Sie ihr, sie soll bessere Sätze für Sie schreiben.«
»Sie haben sich auf einen Handel eingelassen. Sie dachten, wenn Sie Gable erledigen, sind Sie fein raus«, sagte ich.
»Guter Trick«, sagte er. Aber sein Tonfall klang nicht mehr so zuversichtlich.
»Yeah? Die gleiche Person, die Sie losgeschickt hat, damit Sie Gable umbringen, hat der Staatspolizei von Louisiana befohlen, auf Sie zu schießen, sobald man Sie zu Gesicht bekommt. Draußen vor meinem Büro sitzen derzeit zwei Texas Ranger. Warum das?, werden Sie sich fragen. Weil Sie in Houston zwei Menschen abgeknallt haben. Und diese zwei Ranger sind hundsgemeine Hinterwäldler, die es kaum abwarten können, Ihnen eine auf den Pelz zu braten. Sie fragen sich, warum Ihre Mutter Sie hat sitzen lassen? Ganz einfach. Weil Sie der geborene Versager sind, mein Junge.«
»Hören Sie mal zu –«, sagte er, aber seine Stimme fing an zu zittern.
»Denken Sie, ich lüge? Fragen Sie sich mal selber, woher ich das alles weiß. Ganz so schlau bin ich nun auch nicht.«
Er fing an zu fluchen und mir zu drohen, doch die Verbindung brach allmählich zusammen, sodass er wie jemand klang, der ein Gewitter zu übertönen versucht.
Ich legte den Hörer auf und schaute durch die Glaswand meines Büros hinaus auf den leeren Flur, dann fing ich an, die endlose Schreibarbeit zu erledigen, die Stunde für Stunde in meinem Eingangskorb landete.
Ich versuchte den ganzen Nachmittag über, mir den Kopf freizuhalten, und beschäftigte mich mit jeder nur erdenklichen Aufgabe, um mich abzulenken, damit ich nicht an Letty Labiche denken musste beziehungsweise an den Stacheldraht, den ich mit Bedacht um Johnny Remetas Seele geschlungen hatte. Ich rief im Gefängnis von St. Martinville an und erfuhr, dass Clete Purcel einem Kapo das Essen ins Gesicht geschmissen hatte und in eine Isolationszelle verlegt worden war.
»Ist er schon dem Haftrichter vorgeführt worden?«, fragte ich.
»Dem Haftrichter?«, erwiderte der Deputy. »Wir mussten ihm die chemische Keule verpassen und ihn in Handund Fußschellen legen, damit wir eine Leibesvisitation machen konnten. Wollen Sie diesen Arsch haben? Wir überstellen ihn gern ins Gefängnis von Iberia.«
Um halb fünf ging ich hinaus und lief durch den St. Peter’s Cemetery. Mir dröhnte der Schädel, und ich hatte das Gefühl, als ob sich sämtliche Adern um meinen Kopf zusammenzögen. Der Himmel wirkte wie eine Bronzeschale, und dunkle Vögel mit breiten Schwingen schwebten dahin, ohne einen Laut von sich zu geben. Ich wollte, dass dieser Tag vorüber war; ich wollte mir die verwitterten Grabsteine der Soldaten der 8. und 18. Louisiana Infantry anschauen, die bei Shilo Church gekämpft hatten; ich wollte nichts hören und nichts sehen, bis Letty Labiche hingerichtet war; ich wollte mein Gewissen unterdrücken.
Ich ging
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