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Straße nach überallhin

Straße nach überallhin

Titel: Straße nach überallhin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Schritte unternehmen.“
    „Aber einmal muß der erste getan werden“, sagte Timyin Tin. „Was muß ich tun?“
    Sundoc sah zu Toba. Toba nickte.
    „Nun gut, wir werden gleich mit der Behandlung beginnen“, erklärte Sundoc. Er erhob sich und ging in eine Ecke der Zelle, wo sein Gepäck stand. „Wann können Sie reisefertig sein?“ fragte er.
    „Meine Besitztümer sind gering“, antwortete der Mönch. „Sobald ich meine Aufgaben hier abgeschlossen habe, werde ich meine Habseligkeiten zusammensuchen, und dann können wir gehen.“
    „Gut“, sagte der große Mann, der ein Schächtelchen mit einer Spritze und mehreren Ampullen geöffnet hatte. „Gut.“
     
    In dieser Nacht lagerten sie in den Bergen hoch über dem Kloster. Sie hatten Zuflucht hinter gewaltigen Felsen gesucht, an denen sich der heulende Wind brach. Schneeflöckchen wirbelten über ihrem Feuer dahin – wie Seelen, die herbeieilten, um geschmolzen zu werden, dann verdampften und geläutert in den Himmel zurückkehrten, dachte Timyin Tin – er betrachtete sie noch lange, nachdem die anderen sich schlafen gelegt hatten.
    Am nächsten Morgen wandte er sich an Toba: „Ich hatte einen seltsamen Traum.“
    „Was für einen?“
    „Ich träumte von Männern in einem Fahrzeug, das mir vollkommen unbekannt war. Ich war in einem Gebäude und sah zu, wie es zum Stillstand kam. Als die Männer herauskamen, richtete ich eine Waffe auf sie – eine Röhre mit einem Griff und einem kleinen Abzug. Ich richtete die Röhre genau auf sie und zog am Abzug, und sie wurden vernichtet. Könnte dieser Traum Teil meines früheren Lebens gewesen sein?“
    „Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen“, antwortete Toba, der gerade sein Bündel zusammenpackte. „Könnte sein. Im gegenwärtigen Stadium ist es besser, solche Vorkommnisse nicht allzu kritisch zu betrachten. Am besten warten Sie, bis sich alles von selbst zusammenfügt.“
    Timyin Tin bekam seine Injektion, bevor sie wieder aufbrachen. Eine weitere am Abend, der im Verlauf der langen Wanderung durch die Berge noch viele folgten.
    „Ich fühle, etwas geschieht mit mir“, sagte er. „Heute erfolgten merkwürdige … Einmischungen in meine Gedanken.“
    „Was für Einmischungen?“
    „Bilder, Worte …“
    Sundoc kam näher.
    „Was für Bilder?“ wollte er wissen.
    Timyin Tin schüttelte den Kopf.
    „Zu kurz und zu flüchtig. Ich kann mich nicht mehr an sie erinnern.“
    „Und die Worte?“
    „Sie waren fremd und schienen doch vertraut zu sein. Aber ich kann mich auch an sie nicht mehr erinnern.“
    „Das können Sie als gutes Zeichen werten“, sagte Sundoc. „Die Behandlung zeigt bereits Erfolg. Wahrscheinlich werden Sie heute nacht noch mehr seltsame Träume haben. Lassen Sie sich nicht von ihnen einschüchtern. Es ist das beste, einfach abzuwarten und zu lernen.“
    In dieser Nacht blieb Timyin Tin nicht meditierend sitzen.
    Am Morgen war sein Benehmen auffällig anders. Als Toba ihn nach seinen Träumen fragte, antwortete er lediglich: „Fragmente.“
    „Fragmente? Was für Fragmente?“
    „Ich kann mich nicht erinnern. Nichts Wichtiges. Geben Sie mir die Morgeninjektion, ja?“
    „Haben Sie bemerkt, daß Sie den letzten Teil des Satzes nicht in Chinesisch gesprochen haben?“
    Timyin Tin riß die Augen auf. Er sah weg. Er sah hinab auf seine Füße. Er sah wieder zu Toba.
    „Nein“, sagte er. „Es rutschte einfach so heraus.“
    „Was geschieht mit mir? Wer wird siegen?“
    „Sie werden der einzige Sieger sein, indem Sie zurückgewinnen, was Sie verloren haben.“
    „Aber vielleicht …“ Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Seine Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen, die Linien seiner Wangen wurden sanfter, die Andeutung eines Lächelns kräuselte seine Lippen. „Natürlich“, sagte er. „Vielen Dank für den Trost.“
    „Wie weit müssen wir noch reisen?“ fragte er dann.
    „Das ist schwer zu erklären“, antwortete Toba. „Aber wahrscheinlich werden wir die Berge in drei Tagen hinter uns gelassen haben. Dann wird uns ein dreitägiger Marsch zu einer größeren Seitenstraße führen, der wir folgen müssen. Danach wird die Reise wesentlich einfacher vonstatten gehen, aber unser endgültiges Ziel wird von Informationen abhängen, die wir unterwegs bekommen werden. Sie bekommen jetzt Ihre Behandlung, dann geht es weiter.“
    „Ausgezeichnet.“
    An diesem Abend und auch am folgenden Tag sprach Timyin Tin nicht mehr über die Fragmente seiner

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