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Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Titel: Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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nach dem Weg zu fragen. Ich hielt neben
einem alten Mann, der gerade mit seinem Hund Gassi ging, und bat ihn, mir den Weg nach Critz zu erklären. Ohne mit der Wimper zu zucken, setzte er zu einem Schwall atemberaubend differenzierter Anweisungen an. Er muss fünf Minuten lang ununterbrochen geredet haben. Was er sagte, hörte sich an wie eine Beschreibung der Expedition von Lewis und Clark durch die Wildnis. Ich verstand nicht ein Wort, doch als er eine Pause einlegte und mich fragte, ob ich so weit folgen könne, log ich und bejahte.
    »Okay, so kommen Sie also nach Preston«, fuhr er fort. »Von dort folgen Sie der alten Viehtreiberstraße in östlicher Richtung stadtauswärts bis zum Laden von McGregor. Der ist nicht zu verfehlen, denn vor seiner Tür hängt ein Schild, auf dem THE McGREGOR PLACE steht. An der Kreuzung ungefähr hundert Meter weiter steht ein Hinweisschild nach Critz und zeigt nach links. Diese Straße dürfen Sie auf keinen Fall nehmen, denn die Brücke ist weg. Wenn Sie über diese Straße fahren, landen Sie direkt im Dead Man’s Creek.« So ging es minutenlang weiter. Als er mit seiner Wegbeschreibung endlich fertig war, dankte ich ihm und fuhr unsicher in die Richtung, in die er zuletzt gedeutet hatte. Nach 200 Metern stand ich vor einer Kreuzung und hatte nicht die blasseste Ahnung, wohin ich mich wenden sollte. Ich bog rechts ab. Und zehn Minuten später begegneten wir uns zu unser beider Überraschung wieder – der alte Mann, sein ewig urinierender Hund und ich. Im Augenwinkel konnte ich sehen, dass der Mann aufgeregt gestikulierte. Er rief mir nach, ich sei falsch abgebogen. Da mir das selbst mehr als klar war, ignorierte ich sein Herumgehopse und bog an der Kreuzung nun links ab. Das brachte mich Critz zwar nicht näher, bereicherte aber meine Ortskenntnis um weitere Sackgassen und Feldwege, die sich im Nichts verloren. Um drei Uhr nachmittags kehrte ich auf den Highway 58 zurück, genau fünfzig Meter von der Stelle entfernt, an der ich ihn zwei Stunden zuvor verlassen hatte. Missgelaunt folgte ich ihm Stunde um Stunde. Für das
Booker T. Washington National Monument und auch für Monticello war es zu spät, selbst wenn ich es schaffen sollte, mich nicht noch einmal zu verfahren. Es war ein absolut misslungener Tag. Ein freud- und wertloser Tag. Ich hatte weder etwas zu Mittag gegessen noch meine Lebensgeister mit Kaffee bei Laune gehalten. In Fredricksburg nahm ich ein Motelzimmer, aß in einem unbeschreiblich miesen Restaurant und zog mich dann in trübsinniger Stimmung aufs Zimmer zurück.

    Am nächsten Morgen fuhr ich nach Colonial Williamsburg. Das historische Museumsdorf in Küstennähe ist eine der beliebtesten Touristenattraktionen im Osten. Sogar an diesem frühen Dienstagmorgen im Oktober füllten sich bereits die Parkplätze. Ich stellte den Wagen ab und mischte mich unter die Besucherschar, die auf das Visitors’ Centre zuströmte. Darin war es kühl und dunkel. In einer Glasvitrine unweit der Tür stand ein maßstabgetreues Modell des Dorfes. Seltsamerweise fehlte darauf der Pfeil, der dem Besucher anzeigte, wo er sich gerade befand. Nicht einmal das Visitors’ Centre selbst war darauf zu finden. Es gab nicht einen Anhaltspunkt, der verraten hätte, wo, vom augenblicklichen Standpunkt des Betrachters aus gesehen, das Museumsdorf liegen mochte. Das erschien mir äußerst sonderbar. Ich begann, Verdacht zu schöpfen, und stellte mich ein wenig abseits, um die Menschenmenge beobachten zu können. Allmählich dämmerte es mir. Hier war alles so angelegt, dass der Besucher den Eindruck gewinnen musste, der einzige Weg nach Williamsburg führe an der Kasse vorbei, dann durch eine Tür mit der ominösen Aufschrift »Abfertigung« und von dort in einen Shuttlebus, der ihn zu der vermutlich etwas entlegenen historischen Stätte befördern würde. Wer nicht, wie ich, aus dem Strom der Menschenmassen heraustrat, fand sich unversehens vor der Kasse wieder und musste sich innerhalb kürzester Zeit für eine von drei möglichen Eintrittskarten entscheiden – den Patriot’s Pass für 24,50 Dollar, den Royal Governor’s
Pass für 20 Dollar oder das Basic Admission Ticket für 15,50 Dollar. Jede dieser Karten berechtigte zum Eintritt in eine unterschiedliche Anzahl restaurierter Gebäude: Bevor sie recht wussten, wie ihnen geschah, waren die meisten Leute beträchtliche Geldbeträge los und standen in der Schlange vor der Abfertigungstür.
    Ich verabscheue die Art und Weise, wie man

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