Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika
Besucher an Orte wie diesen lockt und ihnen bis zum letzten Moment vorenthält, wie unverschämt hoch die Eintrittspreise sind. An allen Zufahrtsstraßen müssten Schilder aufgestellt werden, die die Leute darüber informieren, was sie erwartet: DREI MEILEN BIS COLONIAL WILLIAMSBURG. HALTEN SIE IHR SCHECKHEFT BEREIT! Oder: EINE MEILE BIS COLONIAL WILLIAMSBURG! ES LOHNT EINEN BESUCH,IST ABER EIN ZIEMLICH KOSTSPIELIGES VERGNÜGEN. Wie immer, wenn ich merke, dass man mir das Geld aus der Nase ziehen will, fühlte ich auch jetzt, wie meine Verärgerung in wilden Hass umzuschlagen drohte. 24,50 Dollar – nur um ein paar Stunden durch ein Museumsdorf zu bummeln! Insgeheim war ich froh, dass ich Frau und Kinder am Flughafen von Manchester zurückgelassen hatte. Ein Tag in Colonial Williamsburg konnte einen Familienvater an die 75 Dollar kosten – und zwar ohne Eiskrem, Coca-Cola und Sweatshirts mit der Aufschrift »Mensch, war das toll in Colonial Williamsburg«.
Irgendetwas stimmte hier nicht. Irgendetwas an diesem ganzen Drum und Dran war faul. Wenn man wirklich nur mit einer Eintrittskarte in der Hand in das Museumsdorf käme, dann würde unübersehbar ein Schild verkünden: EINTRITT NUR MIT EINTRITTSKARTE. SIE SOLLTEN NICHT EINMAL IM TRAUM DARAN DENKEN, SICH OHNE ZU BEZAHLEN HIER EINTRITT ZU VERSCHAFFEN. Ich hatte lange genug in Amerika gelebt, um das zu wissen. Doch ein solches Schild stand hier nicht. Also ging ich wieder hinaus, zurück in den strahlenden Sonnenschein, und versuchte herauszufinden, wohin die
Shuttlebusse fuhren. Sie bogen hinter der Auffahrt auf eine zweispurige Straße und verschwanden dann in einer Kurve. Ich schlängelte mich durch den Verkehr und überquerte die Straße, stieß dann auf einen Weg und folgte ihm. Nach wenigen Sekunden war ich im Dorf. So einfach war das. Ich musste nicht einen Penny bezahlen. Ganz in meiner Nähe entstiegen die Besitzer von Eintrittskarten den Shuttlebussen. Sie hatten eine Fahrt von zirka 200 Metern hinter sich und würden in Kürze erkennen, dass sie durch den Besitz ihrer Eintrittskarten zu wenig mehr berechtigt waren, als sich in die langen Schlangen anderer Besitzer von Eintrittskarten einzureihen, die sich vor jedem restaurierten Bauwerk gebildet hatten. Schweigend und vor sich hin schwitzend standen sie da und rückten ihrem Ziel im Dreiminutentakt einen Schritt näher. Ich glaube, ich habe noch nie so viele schlecht gelaunte Menschen auf einmal gesehen. Das Ganze erinnerte mich an Disney World. Ein nicht unbedingt unpassender Vergleich, denn Williamsburg ist so etwas wie ein Disney World amerikanischer Geschichte. Das gesamte Personal, vom Kartenabreißer bis zum Straßenfeger, war mit authentischen Kostümen bekleidet, die Frauen mit langen Schürzen und Hauben, die Männer mit Dreispitz und Kniehosen. Alles in allem umgab man die Geschichte mit dem Glanz glücklicher Zeiten und wollte den Besucher glauben machen, dass es eine reine Freude gewesen sein muss, seine Wolle selbst zu spinnen und die Kerzen von Hand zu ziehen. Es hätte mich nicht gewundert, Goofy und Donald Duck, als Soldaten der Kolonialarmee verkleidet, um die Ecke watscheln zu sehen.
Als Erstes kam ich an einem Haus vorbei, über dessen Tür ein Schild anzeigte, dass dies einst die Apotheke von Dr. McKenzie war. Die Tür stand offen, also ging ich hinein und erwartete, das Innenleben einer Apotheke des achtzehnten Jahrhunderts vorzufinden. Doch es handelte sich lediglich um einen Souvenirladen, in dem man zu haarsträubenden Preisen dekorativen Tand erstehen konnte – Kerzenleuchter aus Messing für 28 Dollar,
nachgemachte Apothekergefäße für 35 Dollar und so weiter. Fluchtartig und mit einem Würgen im Hals verließ ich den Laden. Doch dann, ganz allmählich, begann ich, Gefallen an dem Dorf zu finden. Während ich über die Duke of Gloucester Street spazierte, vollzog sich in mir eine überraschende Wandlung. Die ganze Szenerie faszinierte mich mehr und mehr. Schon allein die Größe von Williamsburg ist beeindruckend. Über eine Fläche von siebzig Hektar verteilen sich Dutzende von restaurierten Häusern und Geschäften. Darüber hinaus ist es ausgesprochen hübsch, vor allem an einem sonnigen Oktobermorgen, wenn ein lindes Lüftchen durch die Eschen und Buchen weht. Ich schlenderte durch begrünte Gassen und über weitläufige Rasenflächen. Jedes Haus war eine Augenweide. Jede Kopfsteinpflastergasse, jede Taverne und jeder von Wein überwucherte Laden lockte mit einem
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