Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika
Bronson Michael Winner verfolgt und erledigt; Bimbo, in dem sich Sylvester Stallone als Rambo einer Geschlechtsumwandlung unterzieht und anschließend eine beachtliche Anzahl fernöstlicher Typen hopsgehen lässt; und schließlich, auf dem Kanal für Erwachsene, Heiße Höschen, eine einfühlsame Studie zwischenmenschlicher Beziehungen und sozialer Konflikte im zeitgenössischen Dänemark, aufgelockert mit jeder Menge lüsternem Treiben. Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, ein wenig in letztgenannten Film hineinzuschauen – nur, um etwas zu entspannen, wie man in evangelischen Kreisen sagt –, konnte mich aber dann doch nicht entschließen, dafür 6,50 Dollar auszugeben. Zudem hege ich grundsätzlich den Verdacht, dass ein Hotelangestellter mir am Tag nach dem ich den entsprechenden Knopf am Fernseher betätigt habe (ich kann Ihnen sagen, der war vielleicht abgewetzt!) einen Computerausdruck unter die Nase halten und mich vor die Wahl stellen wird, ihm entweder umgehend 50 Dollar auszuhändigen oder mich damit abzufinden, dass er eine Kopie meiner Hotelrechnung an meine Mutter schickt, natürlich nicht, ohne vorher den Rechnungsposten »Verschiedenes: Abnormer Pornofilm, 6,50 Dollar« rot zu unterstreichen. Also zog ich es vor, mich aufs Bett zu legen und mir auf einem der regulären Kanäle eine Wiederholung des Comedy-Programms Mr. Ed aus den sechziger Jahren anzusehen. Es ging um ein sprechendes Pferd. Nach der Qualität der Witze zu urteilen, schrieb Mr. Ed seine Texte selbst. Wenigstens enthielten sie nichts, was mich potenziellen Erpressern ausgeliefert hätte.
Und so endete mein Tag in New York, der aufregendsten und anregendsten Stadt der Welt. Mir wurde klar, dass ich keinen Grund hatte, mich den einsamen Herzen in dem Striptease-Club
zwanzig Stockwerke unter mir in irgendeiner Weise überlegen zu fühlen. Ich war nicht weniger einsam als sie. Tatsächlich gab es in dieser großen, herzlosen Stadt Tausende und Abertausende von Menschen, die ebenso mutterseelenallein waren wie ich. Was für ein melancholischer Gedanke.
»Aber ich wette, dass kaum jemand von ihnen das hier fertig bringt«, munterte ich mich auf und streckte Arme und Beine aus, um alle vier Wände meines Zimmers gleichzeitig zu berühren.
15
Es war das Wochenende am Columbus Day, und die Straßen waren voll. Ist es nicht merkwürdig, dass ein Land, das so sehr den Erfolg vergöttert wie Amerika, ausgerechnet Kolumbus zu seinem Helden macht? Er ist schließlich auf der ganzen Linie gescheitert. Betrachten wir die Fakten: Viermal hat sich Kolumbus auf die lange Reise zum amerikanischen Kontinent begeben, ohne sich jemals darüber im Klaren zu sein, dass es nicht die Küste Asiens war, an der er landete. In seinem ganzen Leben hat er nichts von Bedeutung entdeckt. Jeder andere Forschungsreisende kehrte mit neuen, aufregenden Produkten in die Heimat zurück, mit Kartoffeln, Tabak oder Nylonstrümpfen. Alles, was Kolumbus mit nach Hause brachte, waren ein paar verdutzte Indianer, von denen er annahm, es seien Japaner.
Sein bemerkenswertester Schwachpunkt aber ist wohl, dass er niemals seinen Fuß auf das Land setzte, das später die Vereinigten Staaten werden sollte. Viele Leute sind überrascht, wenn sie das hören. In ihrer Fantasie sehen sie Kolumbus durch Florida stapfen und hören ihn sagen: »Das wird einmal ein prima Feriengebiet.« Doch in Wirklichkeit landete Kolumbus bei all seinen Reisen in der Karibik und stapfte durch die sumpfigen, bazillenverseuchten Küstenstriche von Mittelamerika. Wenn Sie mich fragen, würden die Wikinger weitaus würdigere Nationalhelden für Amerika abgeben. Erstens, weil sie es waren, die das Land tatsächlich entdeckt haben, vor allem aber, weil es Männer waren, weil sie aus Schädeln tranken und sich von niemandem
irgendwelchen Mist andrehen ließen. Das ist amerikanische Lebensart.
Als ich noch in Amerika lebte, war der Columbus Day einer dieser halb erschwindelten Feiertage, von denen nur die von einer starken Gewerkschaft vertretenen Angestellten im öffentlichen Dienst profitierten. So wurde am Columbus Day keine Post ausgetragen. Und wer sich nichts ahnend auf den Weg zur bundesstaatlichen Kfz-Zulassungsstelle am anderen Ende der Stadt gemacht hatte, um sein neues Auto anzumelden, stand vor verschlossenen Türen, an denen ein Schildchen mit den Worten »Wegen Feiertag geschlossen. Pech für Sie« baumelte. Ansonsten nahm das Leben seinen alltäglichen Lauf. Doch das schien sich
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