Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika
Jumbo-Sandwich zeigten ihre Wirkung. Sie blähten sich Unheil verkündend in meinen Gedärmen auf und würden in Kürze aus dem einen oder anderen Ende entweichen.
Ich fühlte eine Hand auf meiner Schulter. Durch den Spalt im Sitz sah ich hinter mir einen Mann indischer Abstammung.
»Darf man in diesem Bus rauchen?«, fragte er mich.
»Keine Ahnung«, antwortete ich. »Ich rauche nicht mehr und bin in diesen Dingen nicht auf dem Laufenden.«
» Glauben Sie denn, dass man in diesem Bus rauchen darf?«
»Ich weiß es wirklich nicht.«
Für ein paar Minuten war er still. Dann lag seine Hand wieder auf meiner Schulter. Sie klopfte nicht, sie lag nur einfach da. »Ich kann keinen Aschenbecher finden«, sagte er.
»Ist nicht möglich«, gab ich geistreich zurück, ohne die Augen zu öffnen.
»Glauben Sie, das bedeutet, dass man hier drin nicht rauchen darf?«
»Ich weiß es nicht. Und es interessiert mich auch nicht.«
»Aber glauben Sie denn, dass das bedeutet, man darf hier drin nicht rauchen?«
»Wenn Sie nicht augenblicklich Ihre Hand von meiner Schulter nehmen, werde ich mich darüber erbrechen.«
Er zog schnell seine Hand zurück und schwieg vielleicht eine Minute lang. Dann hörte ich ihn sagen: »Würden Sie mir helfen, einen Aschenbecher zu finden?«
Es war sieben Uhr morgens, und es ging mir wirklich miserabel. »WÜRDEN SIE MICH BITTE IN RUHE LASSEN!«, schnauzte ich ihn eine Spur zu heftig an. Zwei Reihen hinter mir beobachtete ein norwegisches Studentenpärchen schockiert die Szene. Ich warf ihnen einen Blick zu, der besagen sollte: »Das gilt auch für euch, ihr gesunden kleinen Dinger!« Ich sank in meinen Sitz zurück. Es würde ein harter Tag werden.
Ich fiel in diesen unruhigen, unbefriedigenden Halbschlaf, in dem man die Dinge, die um einen herum passieren, in seine Träume aufnimmt – das Knirschen des Getriebes, das Geschrei von Babys, das Hin- und Herschlingern des Busses, wenn der Fahrer sich nach einer heruntergefallenen Zigarette bückt oder eine Phase seelischer Störungen durchlebt. Meistens träumte ich, der Bus würde über eine Felswand stürzen und ins Nichts entschweben. In meinem Traum fielen wir Hunderte von Meilen in die Tiefe. Wir segelten friedlich durch die Wolken, und nur das Geräusch der vorbeirauschenden Luft war zu hören. Und dann hörte ich den Inder sagen: »Hätten Sie was dagegen, wenn ich jetzt eine rauche?«
Als ich erwachte, war meine Schulter voll gesabbert, und ein neuer Fahrgast saß mir gegenüber, eine hagere Frau mit strähnigen, grauen Haaren, die eine Zigarette nach der anderen rauchte und beachtlich rülpste. Es waren Rülpser, wie Kinder sie machen, um sich zu belustigen – satte, volltönende Rülpser in tiefem Bass. Die Frau war sich der Töne, die sie von sich gab, nicht im Geringsten bewusst. Sie sah mich an, öffnete den Mund, und heraus kam ein Rülpser. Es war faszinierend. Dann zog sie an ihrer Zigarette und rülpste eine große Rauchschwade in die Luft. Auch das war faszinierend. Ich schaute hinter mich.
Der Inder war noch da und sah jämmerlich aus. Als er mich erblickte, beugte er sich langsam nach vorn, wohl um noch eine Frage loszuwerden, doch als ich ihm mit erhobenem Zeigefinger drohte, lehnte er sich wieder zurück. Ich starrte aus dem Fenster und fühlte mich krank. Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich mir noch unangenehmere Situationen als diese vorzustellen versuchte. Doch außer tot zu sein oder ein Konzert der Bee Gees über mich ergehen lassen zu müssen fiel mir nichts ein.
Am Nachmittag kamen wir in New York an. Ich nahm ein Zimmer in einem Hotel in der Nähe des Times Square. Das Zimmer kostete 110 Dollar pro Nacht und war so klein, dass ich auf den Flur treten musste, um mich umdrehen zu können. Ich war noch nie in einem Zimmer gewesen, in dem ich alle vier Wände gleichzeitig berühren konnte. Ich tat all das, was man in Hotelzimmern so tut – ich spielte an den Lichtschaltern und am Fernseher herum, sah in die Schubladen, packte alle Handtücher und Aschenbecher in meinen Koffer –, und ging dann hinaus, um mir die Stadt anzusehen.
Ich war das letzte Mal in New York gewesen, als ich sechzehn war. Damals besuchten mein Freund Stan und ich meinen Bruder und seine Frau, die zu der Zeit in einem eigenartigen, kafkaesken Viertel von Queens lebten. Das Viertel hieß Lefrak City und bestand aus etwa einem Dutzend hoch aufragender Wohnblocks, die um eine Reihe von einsamen Innenhöfen gruppiert waren. Es war diese Art
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