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Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Titel: Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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(»Bernie, kannst du heute früher kommen? Aber bring eine Drahtbürste und jede Menge Ajax mit!«) Tag für
Tag geschehen in New York erstaunliche und unvorhersehbare Dinge. Auf der Titelseite der New York Post las ich von einem aidskranken Perversen, der an diesem Tag verhaftet worden war, weil er kleine Jungs vergewaltigt hatte. Gibt’s denn so was? »Was für eine Stadt!«, dachte ich. »Welch ein Irrenhaus!«
    Zwei Tage lang wanderte ich mit weit aufgerissenen Augen durch die Straßen und murmelte in unablässigem Staunen vor mich hin. An der Eighth Avenue taumelte ein großer schwarzer Mann aus einer Tür und teilte mir in einem Zustand beängstigender Verstörtheit mit: »Ich habe gerade Eis geraucht! Eine ganze Schüssel voller Eis!« Obwohl er nicht darum gebeten hatte, drückte ich ihm schnell einen Quarter in die Hand und machte mich davon. Ich ging in den Trump Tower, ein neuer Wolkenkratzer an der Fifth Avenue. Allmählich macht sich der Immobilienspekulant Donald Trump in ganz New York breit. Über die ganze Stadt verteilt baut er Wolkenkratzer, die seinen Namen tragen. Ich ging also in den Trump Tower und sah mich um. Eine so geschmacklose Eingangshalle habe ich noch nie gesehen. Alles war aus Messing und Chrom und aus rotweiß geschecktem Marmor, der wie das Zeug aussah, um das man einen großen Bogen macht, wenn man es auf dem Gehsteig liegen sieht. Hier war alles voll davon – der Boden, die Wände, die Decke. Mir war, als befände ich mich im Magen von jemandem, der gerade eine Pizza verspeist hat. »Unglaublich«, staunte ich und ging weiter. Nebenan, direkt an der Fifth Avenue, verkaufte ein Laden Pornovideos. Besonders interessant fand ich eine Kassette mit dem Titel Yiddish Erotica, Volume 2. Was wohl darauf zu sehen war? Rabbis mit heruntergelassenen Hosen? »Na großartig. Unglaublich«, murmelte ich und zockelte weiter.
    Als ich am Abend zurück zum Hotel ging, fiel mein Blick auf das Fenster eines Stripteaselokals am Times Square, in dem Fotos der Stripperinnen aushingen. Es waren durchweg hübsche Mädchen. Auch ein Foto von Samantha Fox befand sich darunter. Da Ms. Fox damals jedoch rund 250 000 Pfund jährlich
dafür kassierte, dass sie die Leser britischer Tageszeitungen wie The Sun einen Blick auf ihre wohlgeformten Brüste werfen ließ, schien es mir mehr als unwahrscheinlich, dass sie ihre Hüllen auch in einem verrauchten Kellerlokal am Times Square fallen lassen sollte. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass das Ganze ein einziger Schwindel war. Die Leute mit einer Person von betörender Schönheit zu ködern ist nichts weiter als ein billiger Trick.
    Genauso haben sie uns in Iowa auf dem Jahrmarkt reingelegt. Die Stripteasezelte hinter den Karussells waren mit erotischen Bildern der schönsten Frauen bedeckt, Frauen mit den seidigsten Haaren, den prallsten Brüsten und den geschmeidigsten Körpern, die man sich vorstellen kann – Frauen, deren feuchte, schmollende Lippen zu sagen schienen: »Ich will dich – ja, dich da drüben, dich, mit den Pickeln und der Brille. Komm und erfüll mir meine Träume, kleiner Mann.« Vierzehnjährig und im Taumel der Sinne glaubt man diesen Bildern mit ganzem Herzen und vielen benachbarten Organen. Man zieht eine zerknitterte Dollarnote aus der Tasche und geht hinein in das staubige Zelt, in dem es nach Pferdemist und Alkohol stinkt, um dann eine lustlose Stripperin auf der Bühne zu erblicken, die der eigenen Mutter nicht unähnlich ist. Es war eine dieser Enttäuschungen, von denen man sich nie ganz erholt. Und nun war mein Herz bei den einsamen Matrosen und den japanischen Vertretern von Fotokopiergeräten, die da unten saßen, süße, lauwarme Cocktails tranken und eine Nacht kostspieliger Enttäuschungen verlebten. »Aber wir lernen ja aus unseren Fehlern«, sagte ich weise und mit reuevollem Lächeln zu mir selbst und gab einem Bettler zu verstehen, dass er sich verpissen soll.
    Ich kehrte in mein Zimmer zurück und war froh, weder einem Raubüberfall noch einem Mordanschlag zum Opfer gefallen zu sein. Auf meinem Fernseher stand eine Karte, der ich entnahm, dass ich für 6,50 Dollar auf einem privaten Kabelkanal einen der folgenden vier Filme empfangen konnte: Freitag der
Dreizehnte, Teil 19 , in dem ein unter Persönlichkeitsstörungen leidender Mann mit Hilfe von Messern, Beilen und einem Schneepflug eine Reihe von jungen Frauen tötet, die gerade im Begriff sind, unter die Dusche zu steigen; Mann ohne Gnade, in dem Charles

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