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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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    Später sah Morgan mir zu, wie ich alle Briefe verbrannte, die die Frau mir geschrieben hatte. Ein umfangreicher Stapel im Ofen, einem Stoß Taschenbüchern nicht unähnlich. Ich hatte eingewilligt, das zu tun; ich sah das Feuer als eine Möglichkeit in Morgans Gesicht leuchten, wenn auch schwach – »Vie l leicht sollte ich die Briefe wegschaffen « –, und danach loderte es hell auf. Das Feuer der Briefe selbst war nicht so spektak u lär; zuerst hatte ich meine komische Mühe damit, ich zündete eine Ecke eines Briefes an und sah zu, wie sie zu rotfleckiger Asche verkohlte. »Knüll ein wenig Papier zusammen «, sagte Morgan. Ich knüllte ein Stück Zeitungspapier zusammen und legte es zu den Briefen. (Ich konnte nicht die Seite eines Bri e fes herausnehmen und als Fidibus verwenden, das war unmö g lich.) Das Zeitungspapier entflammte schließlich, und ich schob die Umschläge einen nach dem anderen hinein, bis alle in Flammen aufgegangen waren. Als ich aufstand, sah Morgan ins Feuer; sie war meilenweit von mir entfernt und schien nicht einmal zu denken. Nachdem das Feuer erloschen war, stocherte ich mit dem Schürhaken im Feuer herum und klopfte das meiste durch den Rost. Uns beide machte die empfundene Notwendigkeit nach dieser Maßnahme verlegen.
    Nicht lange nach dem Tag, an dem ich die Briefe verbrannt hatte, verließ Abe Gabriel England sehr plötzlich. Ich sage › sehr plötzlich ‹ , weil dieser Ausdruck ein geistiges Abbild von Gabriel vor mir heraufbeschwört; der aufgeknöpfte Blazer fla t tert um seine Hüften, hinter sich lässt er eine Spur von Socken und makellosen Hemden auf dem Trottoir, während er, vom Manager des Ritz verfolgt, in die Maschine der El AI flieht. Eines Morgens war sein Bild in der Zeitung; eingerahmt in einen dieser schwarzgedruckten, dekorativen Sätze in der T i mes, angeblich schuldete er dem Ritz und seinen Schneidern mehr als siebenhundert Pfund. Er schickte Joanie aus Haifa einen Brief, in dem er mitteilte, er hoffte, Joanie würde ihm sein Benehmen in London verzeihen, und dass er, Abe G a briel, endlich ihren wahren Wert erkannt hatte. Er schrieb: »Die körperlichen Wonnen sind nebensächlich «, um seine A f färe mit Sheila Goldsmith zu erklären. Jeder von uns interpr e tierte diesen Satz anders.
    Am nächsten Tag machte sich Joanie auf den Weg, Arbeit zu suchen, aber stattdessen geriet sie in die Oxford Street, wo sie sich neue Kleidung kaufte. Als sie heimkam, hatte Morgan mir erzählt, stapelte sie die Kartons auf ihrem Bett und holte ein Kleid nach dem anderen heraus, gelbe Kleider mit hochg e schlossenen Kragen, lange Samtkleider, hellblaue Kleider, die beim Gehen um die Schuhe wirbelten, Hosen, Schals, Gürtel, ein wahrer Regenbogen von Blusen und Hemden. »Dies hier ist für das erste Mal, als ich mit ihm ins Bett gegangen bin, dies hier für das Zusammenleben mit ihm, dies hier dafür, dass ich ihm Geld geliehen habe, dieses für › Die körperlichen Wonnen sind nebensächliche dieses für …«
     
    Liebe Joanie,
    alles, was es Neues gibt, steht in dem Brief an Owe n u nd Morgan – ich schreibe Dir diese wenigen Zeile n n ur, um Dir mitzuteilen, ich persönlich bin der Meinung, dass es so am besten gekommen ist. Ich meine zu Deinem Besten! Gott sei Dank hast Du rechtzeitig erkannt, wes Geistes Kind er ist, bevor Du einen nicht wieder gutzumachenden Schritt getan hast – einen schurkigen Ehemann kannst Du am allerwenigsten brauchen, soviel ist sicher. Dieser › let z te Strohhalm ‹ könnte Dir helfen, alles zu vergessen, was Du vielleicht noch für ihn empfindest. Vergiß nicht, Da r ling, dass wir in jeder Beziehung hinter Dir stehen. Ich zahle noch etwas Geld auf Dein Konto ein – gib es aus und las es Dir gut gehen. Bist Du sicher, dass Du den Geda n ken aufgegeben hast, wieder zur Schule zu gehen? Denk noch einmal darüber nach.
    Alles Liebe
    Papa
     
    Deja vu: Joanie spricht von Abe und schildert uns, wie sie sich kennen gelernt haben, wie ihre Beziehung begann, dass sie bereit war, ihn zu heiraten, dass sie hauptsächlich nach Lo n don kam, um ihn zu sehen – sie gibt uns wieder eine Darbi e tung.
    Sie steckt einen Brief mit zwei großen israelischen Brie f marken darauf weg und sagt: »Als ich ihn zum ersten Mal sah, war er so ansehnlich – ihr ahnt es nicht. « Morgan gibt einen Laut von sich, der in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit Interesse und Entzücken ausdrückt. »Er stieg aus einem kle i nen Auto aus –

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