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Straub, Peter

Straub, Peter

Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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wie nennt man sie? – MG? So etwas. Ihr müsst wissen, wie selten solche Autos in Israel sind. Ich dachte, ich würde jeden Mann heiraten, der einen Sportwagen besitzt. Nun, jedenfalls stieg er aus diesem Sportwagen aus, der eine wunderschöne grüne Farbe hatte, und er sah so überwältigend aus. Ich war gerade auf dem Heimweg, und er fragte, ob wir zusammen irgendwo hingehe n k önnten, ob er mich mitnehmen könnte. Er war nett, besonders für Haifa, aber ich ging einfach weiter. Er folgte mir drei oder vier Blocks weit, wobei er u n unterbrochen auf hebräisch auf mich einschwätzte, und ich bekam nicht einmal ein Drittel davon mit, und schließlich sa g te ich ihm, er solle aufhören, mich zu belästigen. Als ich den Mund geöffnet hatte, klatschte er in die Hände und rief: › Am e rikanerin! Amerikanerin! ‹ Dann fing er an, auf Englisch zu reden, und ihr habt ja sein Englisch gehört, das war wirklich charmant. Schließlich ließ ich mich zum Essen einladen. D a nach rief er ständig an. Ich sah ihn etwa alle zwei Wochen, nicht öfter. Schließlich war er so jung – habt ihr gewusst , dass er erst Vierundzwanzig ist? Das ist schließlich vier Jahre jü n ger als ich, und vier Jahre sind ein gewaltiger Unterschied. Er war so süß. Ich wäre überhaupt nicht mit ihm ausgegangen, aber er war wirklich ansehnlich, und so sexy, fandet ihr nicht auch? Und seine Eltern sind wirklich wichtige Leute in Israel, ihr habt keine Vorstellung, wie wichtig! Aber das erste Mal, als ich mehr für ihn zu empfinden begann als nur ein gewisses Jucken, war, als er mich am Samstag mit dem Auto ausführte. Aus irgendeinem Grund hatte er nicht daran gedacht, und so fuhr er an einer Synagoge vorbei. Nun, am Samstag darf man in Israel überhaupt nichts tun – ihr könnt euch nicht vorstellen, wie dieses Land von der Religion beherrscht wird –, und ein paar der Männer fingen an, mit Steinen nach dem Auto zu werfen. Ich hatte solche Angst! Ohne Flachs, ich schlotterte. Danach fühlte ich mich ihm aus irgendwelchen Gründen viel näher. Auf eine angenehm alberne Art und Weise war er sehr nett. Wir fuhren gleich zurück in seine Wohnung, und dort fing alles an. Wirklich alles. «
     
    In der kalten, grauen Luft gehen wir im Regent´ s Park spazi e ren. »Dort ist eine Bank – können wir uns einen Augenblick setzen? Du bist so gut zu mir, Owen, das warst du immer. Weißt du, du weißt, wie man mit Frauen umgehen muss . « Als wir uns auf die Bank gesetzt haben, zieht sie den Mantel eng um sich und versinkt in dem hochgeschlagenen Kragen.
    »Ich glaube, er war eine Art Puppe, die ich ankleiden und ’ herumschieben konnte wie ich wollte, ein Spielzeug. Du hast ihn nie in Haifa gesehen, aber er konnte dort sehr spaßig sein, und ich dachte immer, das könnte er nicht sein, wenn ich nicht bei ihm war. In Haifa schien er stets richtig zu sein, er war am rechten Ort. Hier war er so anders. Sein Benehmen schien u n höflich, seine Kleidung zu flatterhaft. Ich glaube, deshalb wollte ich ihn irgendwie wieder, ich wollte ihn haben und ihn wieder zurechtstutzen. « Ihre Stimme erzeugt weiße Damp f wölkchen beim Sprechen.
    Ich sehe über das tote Gras in einem etwas höher gesetzten Blumengarten. Die Blumen sind alle braun und verwelkt auf den Stengeln. »Ich muss was zu tun finden «, weint sie. »Ich stehe einfach still, und alles strömt an mir vorbei. « Ihre Sti m me beschlägt. Ihre Augen, über dem hohen Kragen erkennbar, sind voller Tränen. »Und dann hört dieser Idiot nicht auf, mir zu schreiben! « Sie holt ein kleines weißes Taschentuch aus der Manteltasche und schnäuzt sich die Nase.
    »Du solltest dir einen Job suchen. Ich habe mit einem Mann gesprochen, der für ein Magazin arbeitet, und der hat gesagt, er könnte dort vielleicht etwas für dich finden. « Der Mann – ich kann ihr das noch nicht sagen – ist Jack Goldsmith, der gerade angefangen hat, für das Magazin zu arbeiten, er schreibt Buchbesprechungen und Essays über Gewalt in Am e rika.
    »Das kann ich nicht «, sagt sie. »Ich kann nicht einmal Schreibmaschine schreiben. «
    Es gibt etwas, das sie sagen möchte, das tief in ihrem Inn e ren ist, weswegen sie im Regents´s Park spazieren geht und über Abe Gabriel redet. Sie steckt das Taschentuch wieder weg und sagt: »Ich glaube, ich muss zurück nach Israel. Ich kann mich hier nicht einleben … Weißt du, was Papa über die Juden gesagt hat? Er sagte, die Juden hätten soviel aus unserer Welt gemacht, dass

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