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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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der Identität, der wie eine silberne Scheibe vor meinem Sehbereich schwebte, gefesselt war, aber sie ließ sich nicht beeindrucken. Zu dem Zeitpunkt verhielt sie sich immer noch feindselig, als wollte sie ihre lange Geduld wettmachen. »Du hältst dich für eine Art Magnet «, sagte sie geheimnisvoll. »Du bist so stolz darauf, allein zu sein. Manchmal beneide ich dich wirklich. « Sie sagte es so, wie man sagen würde, dass man Idioten oder Hunde b e neidet, weil ihr geistiges Leben so unkompliziert ist. Über das gefährliche Thema von Abes Persönlichkeit hinweg konnten wir uns zögernd annähern und reden, manchmal allein, zu a n deren Gelegenheiten, vielen anderen, mit Joanie als nörgler i scher, verletzter Dritter.
    Diese eheliche Zeit des Aufatmens, des gehemmten und z ö gerlichen Kontakts, begann, als Jack Goldsmith etwa eine Woche, nachdem wir alle wieder zu Hause waren, zu mir ins Büro in der Tottenham Court Road kam. Ich versuchte mich immer noch daran zu gewöhnen, dass wir Joanie bei uns ha t ten, sie bildete eine zusätzliche Barriere zwischen Morgan und mir, manchmal aber auch einen Schutzschirm. Weil Morgan und Joanie den größten Teil des Tages damit ve r brachten, die Absichten des anderen herauszufinden, wä h rend sie den Anschein (die Haltung möchte ich nicht sagen, das wäre ein zu starkes Wort) wahrten, als wären sie endlich vereinte Schwestern, ging ich früh ins Büro und blieb lange dort. Während sie bei ihren eigenen stillschweigenden Übe r einkünften und Definitionen anlangten, stellte ich neue Mi t arbeiter ein, mietete den Rest des Stockwerks, als die b e nachbarte Firma, eine Werbeagentur, pleite machte, und ko n ferierte mit rotgesichtigen Männern in gestreiften Anzügen. Ich gehörte zu den Männern, die gemütlich auf eine Tre n nung zusteuerten, als das Telefon klingelte. Es war meine Sekretärin, die bewundernswerte Miss Feathers, die einen Monat später wegen › ehelicher Probleme ‹ kündigte, wie sie, die Unverheiratete, sich ausdrückte.
    »Ein Mr. Goldstein wünscht Sie zu sehen. Er sagt, e r s ei ein persönlicher Freund von Ihnen. Soll ich ihn warten lassen? «
    »Mr. Goldstein? Ich kenne keinen …« Ich vernahm ein g e dämpftes Poltern am anderen Ende und hatte das unmissve r ständliche Gefühl, in einen unbemannten Telefonhörer zu sprechen.
    »Entschuldigung, Sir. Er sagt, sein Name sei Goldsmith , nicht Goldsfein. Mr. Goldsmith sagt, es sei sehr dringend. Soll er auf Sie warten? «
    »Schicken Sie ihn herein, wenn ich hiermit fertig bin «, sa g te ich. Der rotgesichtige Mann, der mich mittlerweile so gründlich anödete, dass ich fast schon wieder verrückt nach ihm war, hustete verhalten, als er diesen beschönigenden H i nauswurf hörte.
    Zehn Minuten später, nachdem wir die getroffene Überei n kunft noch einmal umständlich wiederholt und bekräftigt ha t ten, ging der rotgesichtige Mann, und Jack kam herein. Er sah über die Schulter zur Tür. »Sind Sie beschäftigt? « Er machte einen zerknirschten Eindruck.
    »Nein, setzen Sie sich «, sagte ich.
    Er setzte sich. »Schön, dass Sie wieder hier sind. «
    »Danke. « Da er abwechselnd seine Hände und Füße b e trachtete und diese dann nervös gestikulierend bewegte, mus s te ich ihm helfen. »Sie sehen mitgenommen aus, Jack. Kann ich Ihnen helfen? «
    Er sah wieder zur Tür. »Sie sind nicht beschäftigt? Es ist etwas sehr Persönliches. «
    Ich schüttelte auf beruhigende Weise den Kopf. »Was macht Ihnen denn zu schaffen? « fragte ich.
    »Nun, ich bin gekommen, um mit Ihnen über Sheila zu r e den. Ich wollte hierher kommen, weil ich vor Morgan nicht darüber reden wollte. Oder ihrer Schwester. « Er stand auf und ging um den Sessel herum. Dann stützte er sich auf die Lehne und öffnete den Mund. Er hatte ihn ein paar Augenblicke o f fen, bevor er zu sprechen anfing, als würden alle Worte, die er sagen wollte, auf ihn einstürmen, während er nach Möglic h keiten suchte, sie zu mildern. Ich konnte mir denken, was er sagen wollte.
    »Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll «, sagte er. »Wissen Sie noch, wie ich mich bei der Party benahm? Als ich über Sheila redete? «
    Ich nickte.
    »Nun, es hat eine Veränderung gegeben. Jetzt ist es noch schlimmer! « Er ließ die hinteren Sesselbeine nervös auf den Boden klopfen, indem er die Arme beugte und streckte. »Sie hat sich damals heimlich mit einem Burschen getroffen. Ich weiß nicht einmal, wer er war. Aber jetzt macht sie es in aller

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