Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Straub, Peter

Straub, Peter

Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
Vom Netzwerk:
Öffentlichkeit. «
    (Das war, bevor er herausfand – indem er Sheila ganz schlicht und einfach fragte –, dass der erste Geliebte seiner Frau Rudolf Kleinhans gewesen war, der vers-libre- Verkäufer in Dillons Universitätsbuchhandlung.)
    »Ist es Abe Gabriel? « fragte ich.
    Er versank beinahe im Teppich. »Sie meinen, Sie wissen d a von? Bei Gott, ich dachte … Was wissen Sie? « Er kam wieder um den Sessel herum, setzte sich und beugte sich zu mir vor.
    »Eigentlich weiß ich überhaupt nichts, Jack, oder besser, ich wusste nichts, bis Sie hier hereingekommen sind. « Er b e kam seinen ungeduldigen Gesichtsausdruck. »Aber ich dachte mir, dass etwas im Gange war, als ich sah, wie er Sheila bei Ihrer Party umschwirrte. «
    »Sie wollen mir sagen, Sie haben gewusst , dass es passie r te? Wie lange wussten Sie es? « Seine Niedergeschlagenheit verwandelte sich in Unmut; er schlug mit den Handflächen auf die Knie. »Und warum, zum Teufel, haben Sie mir nichts g e sagt? «
    Ich konnte ihm nicht sagen, dass er zuerst gesagt hatte, ich sollte davon nichts wissen, und dann, dass ich ihm das hätte erzählen sollen, was ich nicht wusste – das erinnerte mich zu sehr an die Grundschule. Ich beschloss , nicht auf seine Frage einzugehen, sondern stattdessen eine eigene zu stellen, um ihn abzulenken. »Sind Sie ganz sicher, Jack? «
    »Nun, Sie haben es doch selbst gesehen! Himmel, ich wette, ich war der einzige, dem nichts aufgefallen ist. Was hat Joanie hinterher gesagt? «
    Joanie hatte folgendes gesagt: »Das kann mir dieser Scheißkerl nicht antun! Nicht in der ersten Nacht, nachdem wir uns einen ganzen Monat nicht gesehen haben! « Ich sagte Jack, sie hätte einen enttäuschten Eindruck gemacht.
    »Warum bekommen solche Dreckskerle immer alles so ei n fach? Er und Joanie wollten heiraten, nicht? … Nun, ich weiß nicht, ob Sie davon wussten « – er sieht mich scharf an, um festzustellen, wie öffentlich seine Schande schon geworden ist – »aber sie wohnt praktisch bei ihm im Hotel. Sie kommt nur nach Hause, um sich frische Wäsche zu holen. Manchmal komme ich zum Essen nach Hause, und sie sind beide dort und trinken das Bier aus meinem Kühlschrank. «
    »Das wusste ich nicht «, sagte ich.
     
    Von da an bis zu seiner Abreise war Abe Gabriel eine neutr a le Zone für uns, über die hinweg wir schüchterne Gesten des Friedens machen konnten. Auf unserer Party, der Nacht von Joanies und Morgans Ankunft von Israel, hatte ich gesehen, wie Sheila Abe Drinks brachte, ihm seinen Teller vol l schöpfte, sich Zigaretten von ihm borgte. Während ihrer la n gen, leisen Unterhaltungen auf unserem Sofa hatte sie ihre Hand auf seinem Knie liegen, oder auf dem Knöchel seines übergeschlagenen Beins. Und ich hatte in letzter Zeit b e m erkt, wie Joanie gleich einem aufgeregten Falken, der einen besonders aggressiv aussehenden Hahn erspäht hat, um das Telefon kreiste.
     
    »Was können wir mit ihr machen? « fragt Morgan.
    »Wir können gar nichts machen. Ich fürchte, nach allem, was Jack mir erzählt hat, dass Abe jetzt mit Sheila zusamme n lebt. Sie kommt nicht mehr nach Hause, es sei denn, um Bier aus dem Kühlschrank zu stehlen. «
    »Was? «
    »Ein Scherz «, sage ich. »Manchmal sind sie in seiner Wo h nung, wenn er nach Hause kommt. «
    Sie sieht verblüfft zu Boden. »Jack redet mit dir darüber? «
    »Nur einmal. Und einmal davor, als es noch ein anderer Mann war. «
    Morgans Augen schnellen zu meinem Gesicht. »Du meinst, sie hatte noch einen …« Der Satz erstirbt.
    »Ich dachte, das wüsstest du. «
    »Woher sollte ich so etwas wissen? « Sie klingt erbost und ein wenig verschnupft, was mich wiederum erzürnt.
    »Die endlosen Gespräche am Telefon, die du mit ihr ha t test! «
    Diesesmal drückt der Blick reinsten Zorn aus, vermischt mit einer Spur Verachtung. »Über so etwas sprechen wir nicht, wenn du es wissen musst . « Ihre Augen und ihre Stimme verr a ten mir deutlich: du begreifst nichts, überhaupt nichts.
    Wir beide spüren, wie wir auf das Thema zuschlittern, über das wir uns nicht unterhalten können. Morgan steht vom K ü chenstuhl auf und schaut in den Kühlschrank. Nachdem sie ihn lautlos wieder geschlossen hat, geht sie zur Spüle und lässt heißes Wasser über die aufgeschichteten Teller und Schüsseln laufen. »Nun, ich weiß nicht, was ich mit ihr machen soll «, sagt sie.
    Für mich ist es zu früh, etwas zu sagen. Ich strecke die Hand über den Tisch hinweg zum Schränkchen mit alkohol

Weitere Kostenlose Bücher