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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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i schen Getränken aus und hole mir die Teacher’s-Flasche .
    »Möchtest du ein Glas? « sagt Morgan und gibt mir eins. Durch solche Gesten bekunden wir unsere Entschlossenheit, Direktheit zu vermeiden.
    »In einer eigenen Wohnung würde sie verrückt werden. « Das ist meine Art von Indirektheit, die sie gnädig akzeptiert, nicht ohne eine Spur Ironie.
    »Und sich damit zu uns anderen gesellen. « Ein kleines, ve r schobenes Lächeln. »Ich glaube, du hast Recht . Sie muss bei uns bleiben. Gott sei Dank haben wir das extra Zimmer! « Sie lenkt sich mit dem Geschirr ab.
     
    Als Joanie und Morgan zurückgekommen waren, saßen wir drei bis spät in die Nacht wach und unterhielten uns über Isr a el, das Araberproblem und den zunehmenden Terrorismus; da waren die beiden sehr stark Schwestern und vermieden wie durch Übereinkunft jede Frage nach Einzelheiten meines eig e nen Urlaubs. Es dauerte fast eine Woche, bis ich Morgan von dem Unfall erzählte, und zwei Monate bevor Joanie mit der Ausgabe von Time kam, die ein Bild der Frau enthielt, deren Aufmerksamkeit ganz dem erkahlenden grauhaarigen Mann an ihrer Seite galt – ihrem Ehemann. Aber innerhalb von zwei Tagen war diese perfekte Allianz so weit abgenutzt, dass Mo r gan, als sie an einem Samstagnachmittag zurückkam, nachdem Joanie und ich fast den ganzen Tag alleine verbracht hatten, mich in unserem Schlafzimmer fragte: »Warst du fair zu mir? «
     
    Joanie kommt gelangweilt in die Küche, während Morgan über die Spüle gebeugt ist. »Unternehmen wir etwas «, sagt sie. »Fällt euch etwas ein? «
    »Du könntest mir beim Abwaschen helfen. «
    Joanie, die auf einem Fingernagel kaut, geht nicht darauf ein. »Gibt es irgendwo gute Filme zu sehen? « Sie springt auf und läuft ins Schlafzimmer – tapp tapp zurück – und kommt mit einer zusammengelegten Ausgabe des Evening Standard zurück. »Mal sehen, was es gibt «, sagt sie. Sie sieht auf. »Hat noch jemand Lust – außer mir, meine ich? «
    Morgan, die immer noch abspült, stöhnt.
    »Vielleicht gehe ich mit dir «, sage ich. »Der letzte Film, den ich gesehen habe, war dieses schreckliche Ding mit Gle n da Jacksons Nippeln, dieser Lawrence-Film. «
    »Dann gehen wir alle «, sagt Morgan. »So lange es nicht ganz in der Innenstadt ist. «
    Schließlich gehen wir alle drei, nachdem wir die Zeitung durchgesehen haben, zum nächstgelegenen Kino, einem u n gemütlichen, nach Tabak riechenden Stall, der fünf Blocks entfernt in der Camden High Street ist, und sehen uns schwe i gend einen Film über die Bombardierung von Pearl Harbor an. In dem Film wird eine ganze Menge gelaufen und herumg e brüllt, und an den aufregenden Stellen, wenn die Bomben auf die großen, teuren grauen Schiffe fallen, hält Joanie meine Hand.
    Als wir das Kino verlassen, treiben sich Betrunkene und e i ne Bande Jugendliche vor einem Courage Pub auf der Straße herum; sie singen grölend. Ein Betrunkener, ein schnurrbärt i ger Mann Mitte sechzig mit dem dominierenden, nasenlastigen Profil eines William Gladstone, folgt uns, während wir die Straße entlanggehen, und krächzt dabei »Liebchen, Liebchen, mach langsam «, zu Joanie. Wir tun so, als könnten wir ihn nicht hören, und er bleibt im Schatten eines Spielsalons an der Ecke Inverness Street zurück, wo er ruft: »Cheerio, Liebchen, chee-rio. « Joanie schlägt den Mantel wegen des kalten Windes eng um sich und hakt sich bei mir unter. Sie sagt: »Wan n i m mer ich jetzt ins Kino gehe, habe ich Angst, dass sie statt de s sen Lion zeigen. Ich denke immer, sie schieben ihn irgendwie dazwischen. «

4
     
    Etwa zu dieser Zeit kam ihr Brief mit der Post, er flatterte an einem Freitagmorgen auf den Kachelboden. Joanie, die immer wie ein Teenager mit Liebeskummer auf die Post wartete, h a stete hinaus. Wir hörten ihre bloßen Füße zur Eingangstür springen, wo sie stehenblieb, während sie die Post vom Boden aufhob, dann tippelte sie in die Küche zurück.
    »Hört sich an, als hätten wir Post bekommen «, sage ich mit einem Mund, der sich wie Baumwolle anfühlt.
    »Hör mal. Ich glaube, sie macht Kaffee! Hörst du sie dort draußen? « Wir lauschten beide den Geräuschen aus der K ü che. Ich hörte, wie sie den Gasherd einschaltete: ein Streic h holz glitt über die Reibfläche, gefolgt vom schnappenden G e räusch des Gases, als es sich an dem Streichholz entzündete.
    »Ich helfe ihr «, sagte Morgan. Sie sprang aus dem Bett; b e vor sie den Morgenmantel anzog, zeigte sich

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